XII. Die Wiederaufrichlung des
Deutschen Kaiserreiches.
Allgemeine Woröere.lung.
Der Wiener Kongreß hat das Deutsche Reich mit seinem Wahlkaisertum
nicht wieder hergestellt. Das wurde vom deutschen Volke tief bedauert. Wie
einst in den Tagen des ersten Interregnums die Sehnsucht des deutschen Volkes
nach einem kräftigen Kaiser mehr und mehr wuchs, so auch in den Tagen des
zweiten Interregnums. Unter der Herrschaft eines mächtigen Kaisers, so
meinte das deutsche Volk, würde Deutschland nach Jahrhunderte langer Ohn¬
macht, Zerrissenheit und Schmach im Rate der Völker wieder die alte Stellung
einnehmen, die es einst unter den größten Kaisern des Mittelalters besessen.
Das konnte nur geschehen, wenn der lockere Ban des durch den Wiener
Kongreß geschaffenen Deutschen Bundes fester gefügt wurde, wenn aus einem
vielgliedrigen Staatenbund ein einheitlicher Staat, ein Bundesstaat,
entstand. Je länger nun die kaiserlose Zeit dauerte, desto tiefer ward die
Sehnsucht des deutschen Volkes nach einem Kaiser. Dieser Sehnsucht ihres
Volkes haben zwei Dichter ergreifenden Ausdruck gegeben. Ihre Gedichte* *)
lauten:
1. Wollt ihr kei
1. Frei geworden ist der Strom,
ist das Land am deutschen Rheine;
doch der Stuhl von Felsgesteine
trauert noch im Aachner Dom.
2. Steht er wohl noch lange leer?
Will sich drauf kein Kaiser setzen
allen Völkern zum Ergötzen,
der Bedrängten Schirm und Wehr?
e n Kaiser küren?
3. Ach, die Sehnsucht wird so laut!
Wollt ihr keinen Kaiser küren?
; Kommt kein Ritter, heimzuführen
Deutschland, die verlassene Braut?
4. Komm' vom Himmel uns herab!
Den wir alle froh begrüßen,
dem wir sinken zu den Fiißen,
steig' empor aus tiefem Grab!
5. Einen hat sich Gott ersehn,
dem das Erbteil zugefallen,
der ein Stern wird sein vor allen,
und was Gott will, mag geschehn!
^- Max v. Scheukendors.
*) Behandlung derselben in der deutschen Stunde.