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b) Aussöhnung. Der gewaltige Kanzler, der so unerhörte Erfolge er¬
rungen hatte, war im Groll geschieden, obgleich ihn der Kaiser zum „Herzog
von Lauenburg" und „Generalobersten der Kavallerie" mit dem Range eines
Generalfeldmarschalls ernannt hatte. Schmerzlich lastete der Zwiespalt zwischen
Kaiser und Kanzler aus dem deutschen Volke, das dem Schöpfer des Reiches
seine Dankbarkeit und Verehrung immer aufs neue bezeugte. In großen
Huldigungsfahrten zogen ganze Scharen von Verehrern aus allen
deutschen Landschaften, aus allen Stämmen und Stünden der Nation nach
Friedrichsruh zum „Alten im Sachsenwalde", um sich laut und offen zu ihm
zu bekennen, ihm Auge in Auge zu sehen, ihn ihrer Verehrung und Dank¬
barkeit zu versichern und seinen Worten zu lauschen, in denen er sich warnend,
ratend und mahnend als der „getreue Eckart" des deutschen Volkes erwies.
Und als er 1892 zur Verheiratung seines ältesten Sohnes nach Wien reiste,
da gestaltete sich diese Reise durch den begeisterten Empfang, den er in
Dresden, München, Jena, Augsburg, Kissingen fand, zu einem wahren
Triumphzuge durch Deutschland. Mit großer Freude wurde es daher
vom deutschen Volke begrüßt, als im Januar 1894 endlich die Aus¬
söhnung zwischen Kaiser und Altreichskanzler erfolgte, indem Bismarck
den Kaiser zu dessen Geburtstage in Berlin, dieser den Kanzler bald darauf
in Friedrichsruh besuchte und ihm fast königliche Ehre erwies.
e) Tod. Noch acht Jahre nach seiner Entlassung lebte Bismarck in
stiller Zurückgezogenheit, immer auf Deutschlands Ehre und Größe bedacht,
bewundert und geehrt wie kein Staatsmann vor ihm. Nachdem er im
November 1894 seine treue Lebensgefährtin durch den Tod verloren hatte,
wurde es immer einsamer und stiller um ihn. Zwar wurde sein Geburtstag
am 1. April, besonders sein achtzigster im Jahre 1895, weit und breit als
nationaler Festtag gefeiert, aber seine Lebenstage waren gezählt. Allgemein
und erschütternd waren Schmerz und Trauer des deutschen Volkes, als der
Telegraph die Kunde durch alle Gaue trug, daß Bismarck am 30. Juli 1898,
abends 11 Uhr, 83 Jahre alt, seine müden Augen für immer geschlossen
hatte. Ein Beileidstelegramm des Kaisers an den Sohn des Entschlafenen
bot „Deutschlands großem Sohne" eine Grabstätte in der Hohen-
zollerngruft am Berliner Dom an, doch mußte diese Ehrung dankend ab¬
gelehnt werden, da es des Fürsten ausdrücklicher Wunsch gewesen war, auf
seinem Eigengut Friedrichsruh, an seinem Lieblingsplatz unter den Bäumen
des Sachsenwaldes die letzte Ruhestätte zu finden. Hier wurde eine Grab¬
kapelle errichtet, in der am 16. März 1899 in Anwesenheit des Kaisers
die Leiche des Fürsten zur ewigen Ruhe bestattet wurde. Der Marmor-
sarkophag trägt die vom Verewigten selbst gewählte Inschrift: „Fürst von
Bismarck, ein treuer deutscher Diener Kaiser Wilhelms I."
Kornrumpf, Handbuch rc. III. , 32