Full text: Preußisch-deutsche Geschichte vom Jahrhundert Friedrichs des Großen bis zur Gegenwart (Teil 3)

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sie oder jagt sie zurück. Die dadurch entstehende Verwirrung und Un¬ 
ordnung benutzt Laudon zum Angrifs mit seinen frischen Truppen. Da 
erliegt das todesmüde Preußenheer. Vergebens bemüht sich der König immer 
wieder, die Reihen zu ordnen; die Verwirrung artet endlich in wilde Flucht aus. 
Friedrich selbst setzt sich der größten Gefahr aus; noch niemals hat er 
sein Heer in solch traurigem Zustande gesehen; er weilt mitten unter Toten, 
Verwundeten, Fliehenden, wie in starre Verzweiflung versunken. Sein Leben 
ist ihm gleichgültig. Zwei Pferde sind ihm bereits unter dem Leibe er¬ 
schossen; seine Uniform ist von Kugeln durchlöchert; eine Kugel dringt in 
sein Kleid und würde ihn durchbohrt haben, wenn nicht ein goldenes Etui 
in der Westentasche sie aufgehalten und sein Leben gerettet hätte. Zwei 
Adjutanten stürzen an seiner Seite. Seine Generale bitten ihn flehentlich, 
den gefährlichen Ort zu verlassen, aber er antwortet: „Wir müssen hier 
alles versuchen, um die Schlacht zu gewinnen, und ich muß hier so gut 
wie Ihr meine Schuldigkeit tun." In dem Getümmel aber ist nichts mehr 
zu gewinnen, denn ringsum herrscht die wildeste Flucht. Bei diesem Anblick 
scheint der König den Tod zu suchen. „Gibt es denn keine verwünschte Kugel 
für mich?" ruft er verzweiflungsvoll aus. Die feindliche Kavallerie braust 
heran und umringt ihn. Schon ist er in Gefahr, gefangen zu werden, als ein 
tapferer Husarenoffizier, einer der Letzten auf dem Schlachtfelde, seines Pferdes 
Zügel ergreift und ihn halb mit Gewalt aus dem Getümmel rettet. 
Es war die schwerste Niederlage, die Friedrich jemals erlitten hatte. Er 
hatte über 18 000 Mann, 180 Kanonen und 28 Fahnen eingebüßt. Er selbst, 
alle seine Generale und höheren Offiziere waren verwundet. Das ganze Heer 
schien aufgelöst, seine Hauptstadt Berlin und sein Land verloren. Noch vom 
Schlachtfelde aus schrieb er einen kurzen Bericht über die Niederlage an seinen 
Minister, den Grafen Finkenstein, nach Berlin, der mit den Worten schloß: 
„Das ist ein grausames Unglück, ich werde es nicht überleben. Die Folgen 
der Schlacht werden schlimmer sein, als die Schlacht selber. Ich habe keine 
Hilfsquellen mehr, und wenn ich die Wahrheit sagen soll, ich halte alles für 
verloren. Ich werde das Verderben meines Vaterlandes nicht überleben. Leben 
Sie wohl aus ewig!" Nie war seine Standhaftigkeit so erschüttert worden, 
als an diesem unglücklichen Tage. In wenig Stunden hatte ihn das Kriegs¬ 
glück von der Höhe eines Sieges in die Tiefe einer vollkommenen Niederlage 
gestürzt. Schlaflos verbrachte er eine schreckliche Nacht in einer halb zerstörten, 
allen Winden offen stehenden Bauernhütte, auf einem ärmlichen Strohlager; 
um ihn her lagen seine Adjutanten auf bloßer Erde; einige Grenadiere be¬ 
wachten ihn. 
An den Russen war es jetzt, den Sieg zu benutzen, rasch vorwärts zu 
dringen, Berlin zu erobern und so den gefürchteten Preußenkönig mit einem
	        
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