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das Naterielle, Körperliche. Und in Rücksicht darauf, dass
in dem Menschen ein höheres, geistiges Prinzip lebt, stellt
Sich nun auch éer Mensch in Gegensatz zu dem übrigen ihn
Uwgebenden un? nennt es Natur. In diesem Sinne kann die
Rede sein von einem Kampfe des Menschen mit der Natur,
von einer Herrschaft über dieselbe, in diesem Sinne pricht
er von aturkrãäften, deren Wirken er ergründet, und deren
schädliche Folgen er bekämpft. Immer mehr aber schränkt
sich die Allgemeinheit des Begriffes ein, indem der Mensch
einzelnes äavon hinwegnimmt ünd gesondert betrachtet, wäh—
rend er das übrige unter dem alten Namen zusammenfasst.
So wird ihm dor mächtige Begriff des Allerschaffenen zu-
sammenschrumpfen in eine Gruppe von Bergen und Bäumen,
Wiesen- und Wasserflächen, und er nennt das Natur im
Gegensatz zu den engen Schranken, womit ihn seine Be—
hausung umgibt. Das ist die Natur, deren belebende Rraft
der Städter sucht, deren Reiz der Dichter besingt.
Wir sehen jetzt, dass der Mensch das Charakteristische
im Enc iffe Natur darin findet, dass er das so bezeichnet,
Vas 1 aus Gottes Hand hervorgegangen, im ursprüng-
lichen ustande geblieben ist, und als Gegensatz davon das
annimre, was er ist, und was er geschaffen hat. Und wie—
der der egriff bedeutend dadureh eingeschränkt, dass
ihm n besonderön etwas entgegenstellt, was sein eigentüm-
Ulehstor Sieth Lunst und sitte. Wir sprechen von
NMatrrroduktea and Kunsterzeugnissen, von dem Reize der
Hohert der unbezwungenen Natur im Gegensatze zum künst-
lerischen Schaffen. Natürlichkeit bezgeichnet in Ausdruck
und Benehmen den Ausfluss einer von der Verfeinerung der
Sitte nicht berührten Gesinnung, und „natürlich und „ge-
künstelt drücken weitgehende Unterschiede aus.
aGdem Worte Natur in allen diesen Formen der Be—
griff „uateriellen zu grunde, so wird es aber noch im
entge ugesetzten Sinne gebraucht, indem wir dieé Zusammen-—
fassung aller Eigenschaften, die seiner Bestimmung nach
einem Dinge anhaften müssen, seine Natur nennen. Insofern
dürfte der Sinn ungefähr dem des Begriffes „Wesenheit“
gleichkommen. Wir sprechen von der Natur der Plektrizität,
Ja, wir gehen soweit, in Beziehung auf den oder jenen Men-
schen von seiner guten oder jähzornigen Natur zu reden.
8o sehen wir, wie einem und demselben Worte die man—
nigfachste Bedeutung beigelegt werden kann, und wie sehr
es daher notwendig ist, den Sinn unserer Worte wohl zu
erwagen.
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