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Ringe ein Platz für die Kirche freigelassen. Die Bewohner der Städte beschäftigten
fick meist mit Ackerbau, daher standen hinter den Häusern des Ringes gewöhnlich
Scheuern und Ställe. Hinter diesen befand sich ein Wall aus Mauerwerk und
Erde und ein Graben. Kamen nun Feinde ms Land, so waren die Stadtbewohner
vor ihrem Angriff gesichert, wogegen die Dörfer der Plünderung und Zerstörung
preisgegeben waren? Daher zogen Handwerker und Kaufleute nur in die Städte;
diese wuchsen und blühten rasch auf.
C. Brandenburg unter Herrschern aus verschiedenen Häusern.
1. Kayrische Herrscher. Nach dem Aussterben der Ballenstädter brachen
traurige Zeilen über die Mark herein. Die benachbarten Fürsten suchten Teile
derselben an sich zu reißen, verwüsteten und bedrückten dabei das Land. Da kein
Herrscher im Lande war, entschieden die Vornehmen ihre Streitigkeiten durch Krieg,
wobei die Mark wiederum litt; viele Ritter wurden Räuber und plünderten die
Wanderer. Endlich nahm der deutsche Kaiser das Land an sich, weil kein männ¬
licher Nachkomme der Ballenstädter vorhanden war, und übergab es seinem Sohne
Ludwig aus dem Hause Bayern. Dieser war aber noch ein Kind und konnte daher
dem Lande wenig nützen. Wehmütig dachte das Volk an die schöne Zeit der Re¬
gierung Waldemars zurück. Die Verwirrung im Lande wurde noch gesteigert durch
das Auftreten des „falschen Waldemar".
Eines Tages ließ sich nämlich bei dem Erzbischof von Magdeburg ein Pilger
melden, welcher sich als Markgraf Waldemar zu erkennen gab. Er behauptete,
daß man statt Waldemars Leiche einen leeren Sarg beerdigt habe; der Markgraf
habe sich nur krank und dann tot gestellt, sei aber nach Jerusalem gepilgert, um
dort für seine Sünden Buße zu thun. Als Beweis für die Richtigkeit seiner Be¬
hauptungen zeigte er den Siegelring des Markgrafen Waldemar; auch wußte er
vieles aus dem Leben dieses Herrschers zu erzählen. Dabei waren seine Gesichts¬
züge, seine Gestalt, Stimme und Bewegungen denen Waldemars so ähnlich, daß
fast alle Anwesenden, die den Markgrafen gekannt hatten, ihn für Waldemar
hielten. Schnell verbreitete sich die Nachricht von der Rückkehr Waldemars im
Lande; fast alle Städte der Mark erkannten ihn und nicht den regierenden Mark¬
grafen als ihren Herrn an. Aber nach einigen Jahren hieß es, der angebliche
Markgraf Waldemar sei nur ein Betrüger. Man behauptete, daß er ein ehemaliger
Müllergeselle sei, der später Schildknappe beim Markgrafen Waldemar gewesen war.
Als solcher habe er vieles aus dessen Leben erfahren und sei nun von den Feinden
des regierenden Markgrafen zu seiner Rolle beredet worden. Daher nannte man
ihn den „falschen Waldemar", und die meisten seiner Anhänger verließen ihn. Er
wurde aber bis zu seinem Tode als Fürst behandelt und im Erbbegräbnis der
Askanier beigesetzt.
2. Krandenbirrg wird rin Kurfürstentum. Das wichtigste Ereignis
iür Brandenburg in diesem Zeitraume war die Erhebung Brandenburgs zum Kur-
ürstentum im Jahre 1356.
Kurfürst heißt soviel als Wahlfürst. Früher war Deutschland ein Wahlreich,
d. h. nach dem Tode des deutschen Kaisers wurde der neue Kaiser nicht nach dem
Rechte der Erbfolge, sondern durch die Wahl der deutschen Fürsten bestimmt. Im
Jahre 1356 gab nun der deutsche Kaiser ein Gesetz, welches für alle späteren Zeiten
Geltung haben sollte und ein Reichsgrundgesetz hieß. Weil das kaiserliche Siegel
an diesem Gesetze in einer goldenen Kapsel (Bulle) eingeschlossen war, nannte man
das Gesetz die goldene Bulle. In der goldenen Bulle wurde bestimmt, daß fortan
nur sieben Fürsten den Kaiser wählen sollten, welche deshalb Wahl- oder Kur¬
fürsten hießen und die vornehmsten Fürsten des Reiches wurden.
Es gab drei geistliche Kurfürsten und vier weltliche. Die ersteren waren die
Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier, die letzteren der Herzog von Sachsen, der
Markgraf von Brandenburg, der König von Böhmen und der Pfalzgraf vom Rhein.
Jeder von ihnen bekleidete ein hohes Reichsamt und hatte bei der Kaiserkrönung be¬
stimmte Verrichtungen vorzunehmen.. Der Kurfürst von Brandenburg war des Reiches
Erzkämmerer; er trug bei der Kaiserkrönung das Zepter und den Reichsapfel. So
gehörte fortan Brandenburg zu den wichtigsten Staaten des deutschen Reiches.
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