Full text: Mit 21 Abbildungen (Teil 3 = (6. - 8. Schuljahr), [Schülerband])

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4. Die Hinterseite des Hauses hatte, besonders aus dem oberen Stock, 
eine sehr angenehme Aussicht über eine beinahe unabsehbare Fläche von 
Nachbarsgärten, die sich bis an die Stadtmauer verbreiteten. Leider aber 
waren bei Verwandlung der sonst hier befindlichen Gemeindeplätze in Haus— 
gärten unser Haus und noch einige andre, die gegen die Straßenecke lagen, sehr 
verkürzt worden, indem die Häuser vom Roßmarkt her weitläufige Hinter— 
gebäude und große Gärten sich zueigneten, wir aber uns durch eine ziemlich 
hohe Mauer unsers Hofes von diesen so nahe gelegenen Paradiesen aus— 
geschlossen sahen. 
Im zweiten Stock befand sich ein Zzimmer, das man das Gartenzimmer 
nannte, weil man sich daselbst durch wenige Gewächse vor dem Fenster den 
Mangel eines Gartens zu ersetzen gesucht hatte. Dort war, wie ich heran— 
wuchs, mein liebster, zwar nicht trauriger, aber doch sehnsüchtiger Aufent⸗ 
halt. Über jene Gärten hinaus, über Stadtmauern und Wälle sah man 
in eine schöne, fruchtbare Ebene; es ist die, welche sich nach Höchst hinzieht. 
Dort lernte ich zur Sommerzeit gewöhnlich meine Lektionen, wartete die 
Gewitter ab und konnte mich an der untergehenden Sonne, gegen welche die 
Fenster gerade gerichtet waren, nicht satt genug sehen. Da ich aber zu gleicher 
Zeit die Nachbarn in ihren Gärten wandeln und die Blumen besorgen, die 
Kinder spielen, die Gesellschaften sich ergötzen sah, die Kegelkugel rollen und 
die Kegel fallen hörte, so erregte dies frühzeitig in mir ein Gefühl der Ein— 
samkeit und einer daraus entspringenden Sehnsucht, das, dem von der Natur 
in mich gelegten Ernsten und Ahnungsvollen entsprechend, seinen Einfluß gar 
bald in der Folge noch deutlicher zeigte. 
b. Die alte, winkelhafte, an vielen Stellen düstre Beschaffenheit des 
Hauses war übrigens geeignet, Schauer und Furcht in kindlichen Gemütern 
zu erwecken. Unglücklicherweise hatte man noch den Erziehungsgrundsatz, den 
Kindern frühzeitig alle Furcht vor dem Ahnungsvollen und Unsichtbaren zu 
benehmen und sie an das Schauderhafte zu gewöhnen. Wir Kinder sollten 
daher allein schlafen, und wenn uns dieses unmöglich fiel, und wir uns sacht 
aus den Betten hervormachten und die Gesellschaft der Bedienten und Mägde 
suchten, so stellte sich, in umgewandtem Schlafrock und also für uns verkleidet 
genug, der Vater in den Weg und schreckte uns in unsre Ruhestätte zurück. 
Die daraus entspringende üble Wirkung denkt sich jedermann. Wie soll 
derjenige die Furcht loswerden, den man zwischen ein doppelt Furchtbares 
einklemmt? Meine Mutter, stets heiter und froh und andern das gleiche 
gönnend, erfand eine bessere erzieherische Auskunft. Sie wußte ihren Zweck 
durch Belohnungen zu erreichen. Es war die Zeit der Pfirsiche, deren 
reichlichen Genuß sie uns jeden Morgen versprach, wenn wir nachts die 
Furcht überwunden hätten. Es gelang, und beide Teile waren zufrieden.
	        
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