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Bilder aus der heimatlichen Geographie und Geschichte.
Freien, die durch Geschlecht oder Vermögen im Volke hervorragten.
Und wie man übereingekommen war, so unterwarfen sich alle ohne
Ausnahme dem Könige. Der übergab sie Mann für Mann an
seine Fürsten zum Gewahrsam, bis über sie nach gemeinsamer Beratung
entschieden würde, aber kurze Zeit darauf brach er den Vertrag und
ließ, mit Verletzung aller Bande des Schwures, durch die er sich ver¬
pflichtet hatte, die Gefangenen nach Gallien, Schwaben, Bayern, Italien
und Burgund verbannen. Ihre Lehen gab er an seine Vasallen, deren
Hilfe in dem Kriege ihm vor allem von Nutzen gewesen war. Er
verweilte noch mehrere Tage in Thüringen, stellte die Burg auf dem
Hasenberge (bei Nordhausen) wieder her und legte eine Besatzung hinein,
um so zu verhüten, daß sich nach seinem Abzüge das leichtbewegliche
Volk zu neuem Aufruhr erhebe.
Heinze, Quellenlesebuch, nach den Jahrbüchern des Lambert von Hersfeld.
31. Keinrich der Löwe.
1. Kühnern Mut, mächtigere Thatkraft hatte noch keiner der
Welfen gezeigt als Heinrich der Löwe. Alt und ehrwürdig war sein
Geschlecht; auch Odoaker, der 476 das römische Reich zertrat, gehörte
ihm an. Frei sein und bleiben, das war der Welfen Losung. Zn
großer Gewaltigkeit wuchs der Welfenstamm unter Heinrich dem
Stolzen heran. Dieser gewann zu seinem Herzogtum Bayern durch
Vermählung mit Kaiser Lothars Tochter noch die sächsischen Herr¬
schaften und wurde nun von seinem Schwiegervater zum Herzog von
Sachsen ernannt. Von den Alpen bis zur Nordsee dehnte sich sein
Reich; kein Herr in deutschen Landen mochte sich ihm vergleichen. Da
ward der Hohenstaufe Konrad III. zum Kaiser erwählt. Ihm trotzte
Heinrich, der sich große Hoffnung auf Deutschlands Krone gemacht
hatte. Der Kaiser neidete und fürchtete den mächtigen Herzog, schenkte
dessen Herzogtum Sachsen dem Brandenburger Markgrafen Albrecht
dem Bären, gab auch das Bayernland einem andern. Als Heinrich eben
sein Sachsen mit dem Schwerte dem Markgrafen wieder abgejagt hatte
und nun schlagfertig des Kaisers gerüsteten Scharen gegenüberstand,
da starb er plötzlich (1139), wahrscheinlich an Gift.
2. Heinrich der Löwe, sein Sohn, war erst ein Knabe von zehn
Jahren. In der sorgsamsten Pflege der Mutter und Großmutter wuchs
er kräftig heran, während bis zu seiner Großjährigkeit sein Oheim
Welf VI. unablässig für ihn um Bayern stritt. Auch traten die Großen
in Sachsen für ihn ein und erklärten, sie würden von ihrem Welfen
Heinrich nicht lassen.
Wirklich wurde Heinrich fünf Jahre nach des Vaters Tode das
Herzogtum Sachsen ohne die Mark Brandenburg zurückgegeben. Auch
Bayern fiel ihm wieder zu. Denn Konrad III. starb, und Friedrich I.,
genannt der Rotbart, bestieg den deutschen Thron. Der und Heinrich
aber waren Geschwister-Kinder, und alsbald sagte Friedrich ans einem
Reichstage in Goslar seinem Vetter das Bayernland zu, und dieser schloß
sich in dankbarer Treue seinem kaiserlichen Vetter an. Er begleitete