Full text: Realienbuch für Taubstummen-Anstalten

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meinen Eltern, meinem Lande nrib meiner Ehre schuldig bin!“ Bald darauf 
verließ der tugendhafte Jüngling Holland. 
2. Im Jahre 1640 bestieg Friedrich Wilhelm, ein Nachkomme Friedrichs I., 
erst 20 Jahre alt, den Thron seiner Väter. Der 30 jährige Krieg war damals 
noch nicht beendigt. Die Feinde hielten Brandenburg zum Teil noch besetzt. 
Viele Städte und Dörfer waren zerstört, weithin sah man kein Haus mehr. 
Unzählige Bewohner des Landes waren von den Feinden getötet worden. 
Die noch Lebenden aber waren meist Bettler, und die Jugend wuchs ohne 
Unterricht ans. Der junge Kurfürst hatte eine schwere Aufgabe, aber er 
verzagte nicht. 
3. Zunächst verbesserte und vergrößerte Kurfürst Friedrich Wilhelm 
sein Heer und vertrieb damit die Feinde ans seinem Lande, Als dann im 
Jahre 1648 Friede geschlossen wurde, sorgte er mit großem Eifer für seine 
Untertanen. Er ließ Städte und Dörfer bauen und Saatkorn, Vieh und 
Ackergeräte unter die Bauern verteilen. Jeder Landmann mußte einen Garten 
hinter seinem Hanse anlegen. Bevor er heiratete, mußte er wenigstens sechs 
Obstbünme pfropfen und sechs Eichbäume pflanzen. Ans Holland und der 
Schweiz ließ der Kurfürst Ansiedler kommen, die die menschenleeren Gegenden 
bevölkerten. Auch gründete er Kirchen und Schulen, legte Fahrstraßen und 
Brücken an und ließ die Oder mit der Spree durch den Friedrich-Wilhelms- 
Kanal verbinden. 
4. Als die Franzosen einst in der Pfalz einfielen, zog Friedrich 
Wilhelm dahin, um sie zu vertreiben. Da hetzte der König von Frankreich 
die Schweden gegen ihn ans. Während der Kurfürst mit seinem Heere am 
Rheine stand, fielen die Schweden unerwartet in Brandenburg 
ein und brannten und raubten. Da keine Soldaten im Lande waren, be¬ 
schlossen die wackern Bauern Brandenburgs, sich selbst zu helfen. Sie schrieben 
auf ihre Fahne: „Wir sind Bauern von geringem Gut und dienen unserm 
Kurfürsten mit Leib und Blut“ und zogen mit Spießen, Heugabeln, Dresch¬ 
flegeln und Sensen gegen den Feind. Leider konnten sie ihn aber nicht ver¬ 
treiben. — Als Friedrich Wilhelm von dem Einfall der Schweden erfuhr, 
eilte er mit seinem Heere in die Heimat und stieß im Jahre 1675 bei 
Fehrbellin, nordwestlich von Berlin, auf die zweimal so starken Feinde. 
Dort angekommen, rieten ihm die Generäle von einer Schlacht ab, weil die 
Soldaten noch ermüdet seien. Der Kurfürst jedoch stellte sich an die Spitze 
seines Heeres, rief: „Getrost, Soldaten, ich will siegen oder mit euch sterben!“ 
und griff den Feind an. Mit gezogenem Degen sprengte er ben Seinen voran 
und focht mitten im dichtesten Kugelregen. Die Brandenburger kämpften mit 
Löwenmut, und bald eilten die Schweden in wilder Flucht davon. Über 
diesen glänzenden Sieg staunte alle Welt. 
5. Während der Schlacht bei Fehrbellin ritt der Große Kurfürst, wie 
die Sage erzählt, einen Schimmel. Dies wußten die Feinde und schossen 
fortwährend ans ihn, so daß er in großer Lebensgefahr war. Als Froben, 
sein Stallmeister, dies merkte, beschloß er, sein eignes Leben zu opfern, um 
das seines Herrn zu retten. Er gebrauchte eine List und rief dem Kurfürsten 
zu: „Herr Kurfürst, euer Schimmel ist scheu, besteigt meinen Braunen!“ 
Dieser merkte die Absicht Frobens nicht und ging auf den Tausch ein.
	        
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