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und will ihr Kind aus der Gesfahr befrein,
setzt zehnmal an und fliegt doch nicht hinein;
denn die Natur heißt sie das Wasser scheun.
Doch nichts erschreckt den Mut der Entẽe;
sie beherzt in ihrem Elemente
und fragt die Henne — erfreut,
warum 3 denn so ängstlich schreit.
Gellert.
102. Der junge Kucknck.
Der Kuckuck, der im Frühling und Sommer als Gast
u uns kommt, kann als ein Beispiel dienen, wie sich die Vor—
an alles Verlassenen und Verwaisten in der Welt so treulich
annimmt und für dasselbe sorgt, und wäre es auch nur eine
Goldkäferlarve, oder ein junger Kuckuck. Das Weibchen, das
seine Eier in langen Nbsnß etwa alle un nur eines,
legt, kann diese nicht selber brüten, sondern legt sie in die
Nester kleinerer Vögel; aber diese freuen sich nicht nur sehr
darüber, sondern brüten das Ei auch sorgfältig aus und fütiern
das ausgekrochene Junge groß. Und wenn dann so ein Kuckuck,
der jetzt noch mehr Speise bedarf als vorher, aus seinem Neste
ausgeflogen ist und vor dunn auf einem Baume oder Busche
schreit, da bringt ihm jeder kleine Vogel, der in der Nähe ist
(nicht bloß seine Pflegeeltern), Futter getragen. Der eine steckt
der kleinen Waise eine Fliege, der andere einen Schmetterling,
der dritte einen Käfer oder ein Würmchen in den Schnabel, so
daß sie diesen nicht oft genug aufsperren kann und gar nicht
weiß, zu welchem von den vor Freude um sie aufschreienden
pflegelustigen Vögelchen sie sich züerst wenden soll. So wird
gerade das scheinbar Verlassenste in der That am reichlichsten
versorgt; und der Mensch will das doch so oft luen
Schubert.
103. Waisen werden auch groß.
Auf der groben Fichte, welehe hoch über der Kirche
wischen den FPelsen und Haselbüschen lehnt, war vergangenen
Sommoer ein grobes Nest mit einem festen Dache, und in dem
Neste lagen drei junge BVichkätzlein. Ihre Mutter, die den
hungrigen Kindern eben Zirbelnüsse gebracht hatte, saß ein-
mal ganz auben auf einem Ast der Fichte und putzte sieh
mit den Pfoten dio Schnauze Da kam so sehnell wie ein
Jtein aus der Luft ein Raubvogel herab, packte sie mit seinen
Krallen und verzehrte sie auf dem nächsten Velsen zum
Morgenimbiß. Nur das Schwänzlein ließ er übrig, das der
WVind nahm und in das Dorf hberunterwehte.