154 
Episches. 
Bei matter Ampeln Zwielicht droben lag 
Der kranke Cäsar auf den Purpurkissen. 
Sein fahl Gesicht, von Schwären wild zerrissen, 
Erschien noch grauser heut, als sonst es pflag. 
Hohl glomm das Auge. Durch die Schläfe wallte 
Des Fiebers Glut, daß jede Ader schlug; 
Niemand war bei ihm als der Arzt, der alte, 
Und Macro, der des Hauses Schlüssel trug. 
Und jetzt mit halbersticktem Schreckensrus 
Aus seinen Decken fuhr einpor der Sieche, 
Hochauf sich bäumend: „Schaff mir Kühlung, Grieche! 
Eis! Eis! Im Busen trag' ich den Vesuv. 
O wie das brennt! Doch grimmer brennt das Denken 
Im Haupt mir; ich verfluch' es tausendmal, 
Und kann's doch lassen nicht zu meiner Qual; 
O gib mir Lethe, Lethe, mich zu tränken! — 
Umsonst! Dort wälzt sich's wieder schon heran 
Wie Rauchgewölk und ballt sich zu Gestalten — 
Sieh, von den Wunden heben sie die Falten 
Und starren mich gebrochnen Auges an, 
Germanieus und Drusus und Sejan — 
Wer rief euch her? Kann euch das Grab nicht halten? 
Was saugt ihr mit dem Leichenblick, dem stieren, 
An meinem Blut und dörrt mir das Gebein? 
's ist wahr, ich tötet' euch; doch mußt' es sein. 
Wer hieß im Würfelspiel euch auch verlieren! 
Hinweg! — Weh mir! Wann endet diese Pein?" 
Der Arzt bot ihm den Kelch; er sog ihn leer 
Und sank zurück in tödlichem Ermatten; 
Dann aus den Kissen blickt' er scheu umher 
Und frug verstört: „Nicht wahr? Du siehst nichts mehr: 
Fort sind sie, fort, die fürchterlichen Scharten — 
Vielleicht auch war's nur Dunst. — Doch glaube mir, 
Sie kamen oft schon nachts, und wie sie quälen, 
Das weiß nur ich. — Doch still! — Komm, setz dich hier 
Nah, nah; von andern: will ich dir erzählen. 
Auch ich war jung einst, traut' aus meinen Stern 
Und glaubt an Menschen. Doch der Wahn der Jugend 
Zerstob zu bald nur; und ins Innre lugend 
Verfault erfand ich alles Wesens Kern. 
Da war kein Ding so hoch und bar der Rüge, 
Der Wurm saß drin; aus jeder Großtat sahn 
Der Selbstsucht Züge mich versteinernd an. 
Lieb', Ehre, Tugend, alles Schein und Lüge! 
Nichts unterschied vom reißenden Getier 
Dies Kotgeschlecht, als im ehrlosen Munde 
Der Falschheit Honig und im Herzensgründe 
Die größre Feigheit und die wildre Gier.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.