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Geschichtlicher Überblick der deutschen Verskunst.
4) steigend-fallende:
a) Amphibraches: ^ Gedanke, zufrieden, die Brüder;
b) Antispastus: Triumphbogen, der Tag graute;
e) der zweite Päon: gewaltige, geheiliget;
5) steigend und fallend:
a) Spondeus: j Wie sie zu leseu siud, ergibt sich aus der Beschaffenheit
b) Pyrrhichius: ^ j des Metrums.
Andere, fast nur in Übersetzungen gebrauchte Versfüße sind:
1) Molossus: ^— Vollsausruhr, Zeus gieng fort;
2) Bacchius: Erfrischung, vernunstlos;
3) Antibacchius: Sturmwinde, freudvolle;
4) Jonikus a majore: antwortete, wehmüthige;
5) Jonikus a minore: wo der Sohn weilt, ob gefahrvoll;
6) der dritte Päon: unbedächtig, die Gewalten;
7) der erste Epitrit: — Gelehrsamkeit, der Sturmwind braust;
8) der dritte Epitrit: Abschiedserguß, Vollmond erglänzt;
9) der vierte Epitrit: Meerabgründe, Freundschaft lehrte.
Anm. Gleichartig sind die Versfüße, welche eine gleiche Bewegung haben, z. B. die fallen¬
den, die steigenden unter sich, im Gegentheil ungleichartig, z. B. die fallenden und steigenden zu
einander. Gerade heißt ein Versfuß, bei dem die Hebung mit der Senkung gleiche Länge hat, z. B.
Daktylus, sonst ungerade, z. B. Trochäus.
Zweites Kapitel.
Metrik.
§. 21. Die deutsche Verskunst hat, so weit sie sich in den poetischen Werken derVor-
zeit zurück verfolgen läßt, wenn sie nicht durchaus verwildert war, immer das Gesetz der
Betonung als oberste Regel anerkannt, d. h. der deutsche Vers besteht aus einer be-
stimmten Anzahl stark betonter Sylben oder Hebungen (Arsen), zwischen welchen sich andere
minder betonte, oder Senkungen (Thesen) einschieben können, nicht gerade müssen,
wenigstens nicht in der älteren Zeit.
§. 22. Zu Hebungen taugten ursprünglich nicht bloß Stammsylben, denen, der
Regel nach, der Hauptton des Wortes gebührt, sondern auch nicht wurzelhaste Sylben mit
bedeutend hervortretendem Nebenton. Die Nebentöne eines Wortes wurden aber schon
von alters her durch die Länge und Kürze der Sylben bedingt, und in so fern war der ahd.
Versbau auch an das Gesetz der Quantität gebunden.
§. 23. Das besondere Verhältniß zwischen den Hebungen und Senkungen des ahd.
geregelten Verses besteht darin, daß 1) jede Senkung minder stark betont sein muß, als die
zunächst vorausgehende Hebung; wo zwischen zwei Hebungen die Senkung fehlt, die erste
Sylbe lang sein muß durch Vokal oder Position (Kousonantverbindung); 3) nur der Auf¬
takt (Anakrusis, die Thesis, welche im jambischen Verse vor der ersten Arsis steht) mehrere
Sylben zuläßt, die übrigen Senkungen aber nur einsylbig sein dürfen.
§. 24. Die ältesten regelmäßigen deutschen Verse (im Lied von Hildebrand und
Hadubrand, zu Ansang des 9. Jahrhunderts niedergeschrieben) enthalten regelmäßig vier
Hebungen; je zwei solcher Verse werden wieder zu einer Langzeile verbunden, die durch die
Alliteration (§. 89) zusammengehalten wird, z. B.