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Bach, Musikdirektor in Leipzig (ff 1750). Er und seine vier Söhne ge¬
hören zu den größten Orgelspielern. Auch Friedrich's II. Capellmeister
Graun aus Sachsen besaß ein nicht geringes musikalisches Talent; bei
seinem Tode rief Friedrich aus: „Vor acht Tagen verlor ich meinen
ersten Feldmarschall (Schwerin), jetzt meinen Graun. Groß ist überall
groß. Ich werde keinen Feldmarschall und keinen Capellmeister mehr ma¬
chen, bis ich einen Schwerin und Graun werde gefunden haben." Alle
diese deutschen Künstler weihten ihre Meisterwerke der Kirche, und weil die
Protestanten keine Messe haben, schufen sie eine neue Art von geistlichen
Musikstücken, die Oratorien. Gluck gebührt das Verdienst, der Oper mehr-
dramatische Vollendung gegeben zu haben. Er war in der Oberpfalz ge¬
boren, bildete sich dann in Böhmen und Italien, und nachdem er mehr
als fünfzig Opern geschrieben hatte, schrieb er in Wien seine Iphigenia,
welche er in seinem sechzigsten Lebensjahre zu Paris aufführen ließ und da¬
mit Kenner und Volk in Erstaunen und Entzücken setzte. Er starb zu Wien
im I. 1787, wo er zuerst bei der großherzigen Kaiserin Maria Theresia,
bei deren Sohne Joseph und ihrer Tochter Marie Antoinette, der
nachmaligen Königin von Frankreich, ausgezeichnete Anerkennung fand.
Die Förderung und Pflege von Kunst und Wissenschaft äußerte aber
auch die heilsamste Wirkung auf das Leben selbst. Bald sollten diejenigen
verwahrlosten Menschen, welche ein lasterhaftes Leben in schnödem Müßig¬
gänge zubrachten, statt in finsteren Gefängnissen zu verfaulen, in sogenann¬
ten Arbeitshäusern zu arbeitsamen und nützlichen Menschen umgeschaffen
werden. Der Dritte Howard (ff 1790) besuchte in allen Ländern Eu-
ropa's die Gefängnisse und Krankenhäuser, und that überall Vorschläge zu
ihrer Verbesserung. Man konnte von ihm sagen, wie von dem Heilande:
„Er zog umher und that wohl!" Diese Worte waren auch der Text zu
seiner Standrede. Nun errichtete man auch in Deutschland zweckmäßige
Zucht- und Krankenhäuser; das größte Krankenhaus dieser Zeit stiftete
die Kaiserin Maria Theresia nach dem Plane des großen van Swieten.
Auch in der Arzneikunde und Krankenpflege wurden Fortschritte gemacht.
Eine neue Krankheit, die durch die Kreuzfahrer nach Europa gekommen war
und erst jetzt aus Frankreich und Italien auch in die übrigen Länder drang,
— die Blattern oder Pocken wütheten im 18. Jahrhunderte so sehr,
daß der zwanzigste Theil des Menschengeschlechtes Schönheit und Gesund¬
heit und der zwölfte Theil^das Leben einbüßte. Lady Worthley Monta-
gue, Gemahlin des englischen Gesandten in Constantinopel, hörte zwar schon,
wie erzählt wird, daß in Cirkassien, um sich vor den verderblichen Folgen
jener Krankheit zu bewahren, die Blattern eingeimpft worden seien, daß
man im ganzen Lande dadurch diese Pest verscheucht habe; indeß lief eine
solche Nachricht den Lehrsätzen der damaligen Heilkunde so zuwider, daß
man noch keine Versuche mit der Einimpfung machte. Die Anwendung
derselben fällt erst in die neuere Periode.