Sprach Krösus, sich an fremdem Lob zu letzen,
Behaglich ktühn zu Hellas' weisem Sohn:
2. „Man nennt mit Recht, o Solon, dich den Weisen;
Blick auf zu meinem Thron! Ich frage dich —
Du sahst die weite Welt auf deinen Reisen —
Wen rühmst du der Beglückten Höchsten? sprich!“
3. Und Solon sprach: „Es lebte zu Athen
Ein Mann, der Tellus hieß; ihm ward beschieden,
Zu schöner Zeit durch Wohlfahrt und durch Frieden
Die liebe Vaterstadt beglückt zu seh'n.
4. Drei wack're Söhne wurden ihm geboren,
Sie haben rühmlich so wie er gestrebt.
Auch seine Enkel hat er noch erlebt
Und nichts Geliebtes hat er je verloren.
5. Und als Athen begann den Heldenkrieg,
Da zog er aus, stritt und erstritt den Sieg
Und siegend ward es ihm gegönnt zu fallen.
Den rühm' ich dir den Glücklichsten von allen.“
ß. Und Krösus drauf mit ernst'rem Herrscherblick:
„Doch wen nach deinem Landsmann, kluger Grieche,
Nennst du zum zweiten, der, gekrönt vom Glück,
Sich jenem Tellus billig wohl vergliche?“
7. So fragt er; denn er hat der Rede Sinn,
Betört von eitler Selbstsucht, nicht verstanden.
„Zwei Jünglingen in der Argiver Landen,“
Erwidert Solon, „ward der Hochgewinn.
8. Der Mutter Wagen zogen einst die Brüder
Bei Heres Fest mit kindlichem Bemüh'n
Zum weitentleg'nen Tempel treulich hin
Ünd sanken matt an dessen Stufen nieder.
9. Da wendete die Mutter sich zu Here
Und flehte, daß ihr waltendes Gebot
Den Guten das Beglückendste gewähre;
Die Göttin gab's: die Söhne waren tot.
10. Noch lebt der Götterspruch in Hellas fort
Und weise deutet ihn des Dichters Wort:
Ihr Geist und ihr Geschick sind nicht zu trennen;
Sie sind die wahrhaft Glücklichen zu nennen.“
11. Da wendet sich des Fürsten Angesicht
Und seine Stirne kräuselt sich in Falten.