350 Mittlere Geschichte. 3. Periode. Entdeckungen. 
beschwind einen tiefen Graben mitten durch den Damm zogen. 
Nun war dieser fertig. Da hallte vom Haupttempel herab der 
dumpfe Klang der heiligen Trommel, die nur dann von den 
Priestern gerührt wurde, wenn das Volk zur allgemeinen Ver¬ 
theidigung herbeigerufen werden sollte. Die Spanier sahen sich 
plötzlich von vorn und von hinten mit einem gräßlichen Geschrei 
angegriffen und mußten sich eilig zurückziehen. Anfangs ging 
der Rückzug recht ordentlich. Als sich aber das Gerücht ver¬ 
breitete, daß der Damm durchstochen sei, bemächtigte sich Aller 
Grauen und Angst. Sie dachten an jene Schreckensnacht und 
augenblicklich löste sich alle Ordnung auf, Cortez mochte rufen, 
wie er wollte; Alle rannten nach der Dammöffnung zu, um hin¬ 
überzuschwimmen. Aber Viele ertranken, oder wurden von den 
Mexicanern aufgefangen, um geschlachtet zu werden. Cortez selbst 
entging nur durch Aufopferung eines treuen Freundes diesem 
schrecklichen Schicksal. Im heftigen Kampfe stürzte sein Pferd 
unter ihm; in dem Augenblicke ergriffen ihn sechs mexicanische 
Hauptleute und führten ihn fort. Schon schien er ohne Rettuna 
verloren; da faßte der hochherzige Guzman, aus einem der 
edelsten Geschlechter Spaniens, den Entschluß, sich für seinen 
Feldherrn zu opfern. Er sprang vom Pferde, drängte sich bis 
zu Cortez durch, und während die Mexicaner sich gegen ihn 
wandten, bekam Cortez Luft, bestieg mit Guzmans Hülfe schnell 
das Pferd und entkam, obgleich aus mehreren Wunden blutend, 
glücklich zu den Seinigen, während Guzman gefangen abgeführt 
wurde! — Sechzig Spanier und über 1000 Tlascalaner wurden 
vermißt. Jener Offizier war in Verzweiflung und bat den Cor¬ 
tez mit aufrichtiger Reue, ihn für seine strafbare Uebereilung 
hinrichten zu lassen. Aber das geschah nicht; Cortez begnügte 
sich, ihm einen öffentlichen Verweis zu geben. 
Wer beschreibt aber das Grauen der folgenden Nacht! Als 
die geretteten Spanier hinter sich schauten, sahen sie die ganze 
Stadt erleuchtet, hörten die gräßliche Kriegsmusik erschallen und 
die Siegesgesänge der Mexicaner. Der Haupttempel strahlte vor 
Allem in festlichem Glanze; denn hier wurde das blutige Sieges¬ 
fest begangen. Einige Spanier ruderten in Booten näher heran, 
und welch ein Anblick stellte sich ihnen dar! Mitten zwischen 
dem zahlreich versammelten Volke sahen sie die Priester beschäf¬ 
tigt, die unglücklichen Gefangenen, unter ihnen den edeln Guz¬ 
man, zu schlachten. Sie hörten das Angstgeschrei ihrer Waffen-
	        
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