I. Die Völkerwanderung.
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fchergeist. Er glaubte das Schwerd des Kriegsgottes
zu führen und dadurch zur Herrschaft der Erde bestimmt
zu seyn, nannte sich auch die Gotresgeißel zur Bestra¬
fung der Menschen. Das war er auch; denn so fürch¬
terlich hat noch kein Eroberer gehaust. Bis China hin¬
ein erstreckte sich der Schrecken vor ihm; und nun (45i)
walzte sich in wirbelndem Sturme sein Heer von
5—700,000 Mann durch Deutschland herauf und über
den Schwarzwald zum Rhein nach Gallien. Seine Er¬
scheinung überbot alle bisherigen Schrecknisse. Indessen
gelang es dem tapferen römischen Feldherrn Aetius,
in der gemeinschaftlichen Noth Franken, Burgunder,
Westgothen, Römer zu vereinigen. Bei Chalons in der
Campagne stießen die Heere auf einander. Die Völker
des ganzen Europa von der Wolga bis zum westlichen
Ocean standen einander gegenüber. Die Schlacht war
eine der schrecklichsten, die je geliefert worden sind; denn
162,000 Todte sollen den Wahlplatz bedeckt haben; und
es entstand die Sage, daß 3 Tage lang noch die Schat¬
ten der Erschlagenen mit einander gekämpft und Blut¬
ströme die Leichname weggeschwemmt hätten. Attila
gab sich für geschlagen und zog sich in seine Wagenburg
zurück. Im folgenden Jahre siel er in Oberitalien ein;
und auch hier wurden die Gegenden, die sein Schwerd
traf, fürchterlich heimgesucht. Er wollte auch nach Rom
gehen; aber eine Gesandtschaft, an deren Spitze der rö¬
mische Bischof Leo stand, und große Versprechungen des
Kaisers bewogen ihn, Italien zu verlassen. Im fol¬
genden Jahre (453) starb er plötzlich an einem Blut¬
sturze in Ungarn. Mit ihm ging sein Reich unter.
Viele zogen wieder gegen Osten; und die Hunnen ver¬
schwinden in der Geschichte.
Rom aber konnte nicht mehr triumphiren. Schott
im I. 455 kam der Vandale Geiser ich, von einer
rachsüchtigen Kaiserin gerufen, nach Rom. In 14 Ta¬
gen plünderte er die Stadt so rein aus, daß seitdem