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Lungen, so wird als weitere Folge der Blutkreislauf beschleunigt und
dessen Triebfeder, das Herz, ausdauernder und leistungsfähiger ge—
macht.
Zu gleicher Zeit und in gleichem Maße steigert sich auch die Tätig—
keit der Haut. Schon durch Anwendung von Striegel und Bürste
wird ihre Arbeit wesentlich erleichtert; eine weitere Anregung geschieht
durch das Tummeln und Springen im Freien. Die Hautausdünstung
geht gut vonstatten, und die Ansiedelung von Schmarotzern wird un—
möglich gemacht. Es hat somit seine Berechtigung, wenn behauptet
wird, daß durch Bewegung in freier Luft dem Kalbe die Haut schon
halb geputzt sei. Auch die Haare gewinnen ihr gut Teil. Die ange—
regte Hauttätigkeit bleibt nicht ohne wohltätigen Einfluß auf die
Haarwurzeln; der Haarwechsel geht rasch und regelmäßig vor sich,
ohne dem Tiere zu viel Beschwerden zu verursachen. Überhaupt wird
Rindvieh, das von frühester Jugend auf im Freien gehalten und
an den Witterungswechsel gewöhnt wurde, Unbilden des Wetters
besser ertragen, als im Stall erzogenes. Je mehr diese Abhärtung
fehlt, desto leichter werden die Erkältungskrankheiten mit ihren oft
sehr schweren Folgen einsetzen können.
Betrachten wir uns ein jugendliches Tier auf der Weide oder
auf seinem Tummelplatz, so wird uns die Lebhaftigkeit und die
Aufmerksamkeit auffallen, die das lebensfrohe Tier allen Gegen—
ständen seiner Umgebung entgegenbringt. Alles gewinnt ihm Interesse
ab; versteht es eine Erscheinung nicht, so helfen ihm einige lustige
Sprünge über den Zweifel hinweg und andere Dinge fesseln von
neuem seine Aufmerksamkeit. Wie stumpfsinnig und übellaunig aber
stehen die seit ihrer Geburt im Stalle eingekerkerten Jungtiere da,
die nur scheu und furchtsam aus ihrem Winkel hervorsehen und unbe—
holfen hin und her treten! Daß sich in solchen Fällen außer Körper—
mängeln auch Untugenden und üble Gewohnheiten einstellen, ist nicht
zu verwundern. Die Langeweile zwingt die armen Geschöpfe zu
allerlei Zeitvertreib: sie nagen, lecken, fressen Haare, Stroh oder
sonst für sie unverdauliche Dinge, und dann wundert sich der Eigen—
tümer noch darüber, warum die doch gut gefütterten Kälber nicht ge—
deihen wollen. Neben vielen anderen bekannten und unbekannten
Ursachen kann auch der ununterbrochene Stallaufenthalt Veranlassung
zu der widerlichen Lecksucht und Nagekrankheit, insbesondere des
Jungviehes, geben. Man lasse die Tiere nur ins Freie, und sie werden,
falls keine anderen, tieferen Ursachen vorhanden sind, die üblen Ge—
wohnheiten vergessen.
Dem Mangel an freier Bewegung und Weide ist es meist allein
zuzuschreiben, daß die aus guten Zuchtgebieten bezogenen Tiere und
deren Nachzucht nicht gedeihen und der Ausartung verfallen. Dieser
Fehler der Pflege macht sich auch durch das Nichtträchtigwerden,
durch zu frühe Zuchtuntauglichkeit der männlichen Zuchttiere, durch
Kälberlähme, Durchfall usw. sehr bemerklich, — Mißstände, die in
Zuchtgebieten mit Weidegang fast unbekannt sind.