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B. Vom Westfälischen Frieden bis zur Gegenwart.
b) Fluchtversuch, Strafe und Vergebung. Als Friedrich seinen
Vater auf einer Reise nach Süddeutschland begleitete, erhob er sich eines
Morgens vor Tagesanbruch leise von seinem Lager und schlich hinaus.
Aber ein wachthabender Kammerdiener hatte ihn bemerkt; als Friedrich
eben ein Pferd besteigen wollte, ward er von Ossizieren zurückgehalten.
Der König war aufs höchste erzürnt und ließ seinen Sohn als Gefangenen
auf das Schloß in Küstrin bringen. Die Tür seines Gefängnisses
wurde mit zwei großen Vorhängeschlössern gesichert und täglich nur
dreimal geöffnet. Die aufschließenden Offiziere sollten kein Wort mit
Friedrich sprechen und ihm bei Todesstrafe auf keine Frage antworten.
Er sollte weder Messer noch Gabel, weder Flöte noch Schreibzeug und
Bücher, mit Ausnahme der Bibel, erhalten,- anfangs fehlten sogar Licht
und Bett. Sein Freund Katte, der ihm bei der Flucht hatte helfen
wollen, wurde zum Tode'verurteilt und enthauptet. Der Prinz erhielt
noch einen Brief Kattes, in dem dieser reuig sein leichtfertiges Leben
bedauerte und ihn bat, dem Könige nicht zu grollen, da dieser nur der
Gerechtigkeit Gottes gedient habe.
Auf Friedrich selbst machten die lange Hast, der Brief seines ent¬
haupteten Freundes und die Besuche des Feldpredigers einen tiefen Ein-
druck. Er zeigte ernste Reue und bat seinen Vater brieflich um Ver-
zeihung. Darauf erhielt er fernen Degen zurück, mußte aber noch in
Küstrin bleiben und in der Domänenkammer arbeiten,- daneben erhielt
er Unterricht in einzelnen Zweigen der Verwaltung. Er sollte namentlich
lernen, „wie schwer es dem Bauern falle, so viel Groschen zu erarbeiten,
als zu einem Taler gehören". Bald nachher kam der König nach Küstrin;
als der Sohn ihm in Tränen zu Füßen sank, erhielt er Verzeihung,
wenn auch nicht seine volle Freiheit; doch wurde ihm jetzt gestattet, in
Begleitung erfahrener Männer Ausflüge in die nächste Umgebung zu
machen, um sich über Ackerbau, Viehzucht und Brauwesen zu unterrichten.
Bei der Hochzeit seiner Schwester Wilhelmine wurde Friedrich wieder
in die Armee aufgenommen. Der Vater stellte ihn als Obersten an
die Spitze eines Regiments; Friedrich vermählte sich dann auf Wunsch
des Vaters mit einer Prinzessin von Braunschweig und verbrachte in
dem Schlosse Rheinsberg bei Ruppiu, das ihm der König schenkte, mit
seiner Gemahlin und in Gesellschaft gleichgesinnter Freunde die schönsten
Jahre seines Lebens. Auch der militärischen Übungen nahm er sich mit
großem Eiser an. Der Vater hatte jetzt ein solches Wohlgefallen an ihm,
daß er kurz vor feinem Ende ganz glücklich zu feiner Umgebung sprach:
„Tut mir Gott nicht eine große Gnade, daß er mir einen so würdigen
Sohn zum Nachfolger gegeben hat?"