§88. Die Balkan-Halbinsel.
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immer von Schiffen gefüllte Hafen geben ein reiches, herrliches Bild. Von
der Landseite her ist die Umgegend still und öde. Im Innern der Stadt
enge, schmutzige Straßen, voller Unrat und sehr dreister Hunde, meist höl¬
zerne Häuser (daher die großen Feuersbrünste). Unter den 1100 000 Ein¬
wohnern befinden sich viele Griechen, Armenier, Juden. Das Volksgetümmel
ist daher in den bewohnteren Stadtteilen recht bunt und äußerst lebhaft.
Alle Geschäfte und Handwerke werden an oder auf der Straße betrieben;
statt der Wagen drängen sich Züge von Lasttieren mit Steinen, Brettern,
Holz durch die Menge; Wasserträger, Zuckerwarenhändler, Trödler aller
Art schreien die Waren aus; durch all dieses Geräusch, vermehrt vom lautesten
Gezänk der Menschen und dem Geheule der Hunde, wogt zu Fuß und zu
Pferd der Menschenstrom aus und nieder; die vielfarbigen Kostüme der Orien¬
talen stechen dabei grell ab von der schlichten, einfacheren Kleidung der Euro¬
päer, wie der rasche und feste Tritt des „Franken" von dem schlürfenden
Gang des Türken mit dem langen Kaftan, im roten Fes oder Turban.
Jenseit des Hafens, d.h. n. vom Goldenen Horn, liegt Pera mit
Ga lata, wo die fremden Gesandten und die meisten Franken, d.h. Euro¬
päer sich aufhalten. Weiterhin, etwa 2V2 km vom Eingang ins Goldene
Horn, Dolmabaghtsche-Serai, die gegenwärtige Residenz des
Sultan^, auch am User des Bosporus. Skütari, auf dem asiatischen
Ufer, 80 000 E., nimmt sich wie eine Vorstadt von Konstantinopel aus, dem
es gerade gegenüber liegt; Cypressenhaine und Totenäcker umgeben es. Die
ganz Uferstrecke des Bosporus ist mit reizend gelegenen Ortschaften besäet,
m denen reiche Türken und Griechen, auch fremde Gesandte Landhäuser
haben.
Die Provinz Rumslien hat von den Romäern ihren Namen, wie
die Türken die hier besonders zahlreich wohnenden Griechen nennen. Ihre
östliche Halste befaßt hauptsächlich das alte Thrakien, das Gebiet der
schiffbaren M ä r i tz a , des größten Flusses der Halbinsel. Das Innere galt
den Griechen als ein rauhes, von rohen Barbaren bewohntes Land; an den
Küsten hatten sie Kolonien, wie A b d e r a , das wegen der Wunderlichkeit
semer Bewohner verrufen war. Jetzt ist die größte Stadt an dem genannten
Flusse <ldrranopel (81 000 E.), bis 1453 der Sultane Residenz in
reizenden Chpressen- und Rosengärten (Rosenöl) gelegen.
Die westliche Hälfte von Rumelien bis zum Pindus ist das alte M a -
tedonren, durch eine Seitenkette des Pindus von Thessalien getrennt, an
deren Ostende sich südwärts der Olymp, 3000rn, anschließt. Die Könige
Makedomens residierten in der Binnenstadt Pellet, aber die wichtigsten und
reichsten Städte, meist griechische Kolonien, lagen auch hier an der Küste,
besonders auf der Halbinsel C h a l k i d i k e , welche nach SO. gestreckt wieder
!n ?Eet 8“fcn flaust; der östliche trägt auf seinem Vorsprunge den iso¬
lierten 1935 m hohen Ath o s, an dem einst die Flotte der Perser scheiterte.
fm“n tm 2atertum Es Thrakien, so traf man zuerst auf P h i l i p p i
(Brref Pauli an die Philipper), dann auf A m p h i p o l i s. Zwischen dem
westlichen und mittleren Zinken der Chalkidike lag das blühende Olynth
da, w° sich der westliche abtrennt, Potidäa. Alle diese Orte werden im
Peloponnesischen Kriege und in den Kriegen Philipps oft genannt. Wo die