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Nichten. Wirklich besiegte er Blücher bei Ligny (Linji) den 16. Juni. Blüchers
Roß wurde erschossen und begrub den greisen Helden unter seiner Last. Mit
Lebensgefahr rettete ihn sein Adjutant. Napoleon aber befahl einem General,
die besiegten Preußen in den Rhein zu werfen, und stürzte sich am 18. Juni
auf die Engländer bei Waterloo (südlich von Brüssel). Doch wie eine
Mauer aus Eisen standen die wackern Soldaten. Aber immer dünner wurden
ihre Linien und immer heftiger die feindlichen Stöße. Blücher hatte ver¬
sprochen, mit der ganzen Armee zu Hilfe zu kommen, wurde aber durch
strömenden Regen und grundlose Wege aufgehalten. Zwar scherzte er: „Das
sind unsere Verbündeten von der Katzbach, die dem Könige das Pulver er¬
sparen!" aber endlich erklärten die Soldaten: „Es geht unmöglich weiter!"
„Kinder," rief der alte Degen, „wir müssen vorwärts! ich hab's meinem Bruder
Wellington versprochen, und ihr wollt doch nicht, daß ich wortbrüchig werden
soll!" Und vorwärts ging's. Eben hatte Wellington geseufzt: „Ich wollte, es
wäre Abend, oder Blücher käme!" da donnerten die preußischen Kanonen, und
em letzter, verzweifelter Kampf entspann sich, endete aber mit der Flucht der
Franzosen. Napoleon rettete sich durch einen Sprung aus dem Wagen, ergab
sich aber später den Engländern und wurde auf die Insel St. Helena ver¬
bannt, wo er 1821 starb. Paris wurde abermals eingenommen, und jetzt härter
bestraft. Frankreich wurde auf die Grenzen von 1790 beschränkt, mußte die ge¬
raubten Kunstschätze herausgeben und 540 Millionen Mark Kriegskosten bezahlen.
11. Die Friedensregierung Friedrich Wilhelms III. Im Frieden
heilten die Wunden, welche die endlosen Kriege geschlagen hatten. Überall
blühte neues Leben aus. Die Landwirtschaft gewann durch die Einführung
einer bessern Bodenbearbeitung, durch die Ablösung der bäuerlichen Lasten für
alle Bauern und durch die Aufteilung der Gemeindeländereien, wodurch Tau¬
sende von Bauern in den selbständigen Besitz von Grundeigentum kamen. —
Handel und Industrie wurden gefördert durch neue Anlagen von Chausseen
und durch Schiffbarmachung von Flüssen, am meisten aber durch die Gründung
des deutschen Zollvereins (1833). Hinfort wurde nicht an jeder Landes-,
sondern nur an der deutschen Grenze von manchen Waren Zoll erhoben und
nach der Bevölkerungszahl unter die einzelnen Staaten verteilt. Neue Post-
linien hoben den Personenverkehr. Das erste Dampfschiff befuhr 1827 den
grünen Rhein. 1835 wurde die erste Eisenbahn zwischen Nürnberg und
Fürth gebaut. -Dreyse in Sömmerda erfand das Zündnadelgewehr,
Kämmerer die Streichzündhölzchen, ein Amerikaner die Nähmaschinen,
die Professoren Gauß und Weber in Göttingen den Telegraphen. Überall
entstanden Fabriken und Dampfmaschinen. Städte und Dörfer blühten
auf. Immer besser wurde das Volk in den Schulen nach den Grundsätzen
des edlen Schweizers Pestalozzi unterrichtet. Viele Volksschulen und
Lehrerseminare wurden gegründet, und das höhere Unterrichtswesen außer¬
ordentlich verbessert. Aber Deutschland blieb zerrissen und uneinig. Seine
Staaten bildeten den „Deutschen Bund" und schickten ihre Vertreter auf den
„Bundestag" nach Frankfurt. Doch Bund und Bundestag waren ohnmächtig
und wurden zum Gespött. — Friedrich Wilhelm III., der Gerechte, starb 1840
und liegt im Mausoleum zu Charlottenburg neben seiner unvergeßlichen
Luise begraben. Sein Wahlspruch war: „Meine Zeit in Unruhe, meine
Hoffnung in Gott!" Schöne Merkworte von ihm finb: „Meine Sache ist
die Sache meines Volkes!" — „Ich möchte um vieles nicht über ein Volk
herrschen, welches keine Religion hätte!" Ihm folgte sein ältester Sohn
Friedrich Wilhelm IV. in der Regierung.