Europa —
Brittisches Reich.
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Heeres kostet jährlich 106 Mill. Thlr., ist also, verglichen mit den deutschen
Heereseinrichtungen, sehr kostspielig. Dies ist indes nur das Heer in Europa;
in dem uugeheuer ausgedehnten Ostindien befinden sich, abgesehen von der
über 15000V Mann starken und militärisch organisirten Polizei, auch noch
ca. 200000 Mann, größtentheils eingeborne Hindus, und das ostindische
Armeebudget ist höher als das europäisch-brittische, nämlich 110 Mill. Thlr.
Dazu kommen noch die besonderen Corps anderer Kolonien und die Truppen
vom nordamerikanischen Canada, welches das System der allgemeinen Dienst-
Pflicht besitzt und ein Armeebudget von 2 Mill. Thlr. hat. Die jährliche
Gesammtausgabe Großbritanniens und seiner Nebenländer für Armee und
Kriegsmarine beträgt über 293 Mill. preuß. Thlr.*)
Zur Bemannung der Kriegsflotte fehlt es nie an tüchtigen Seeleuten,
-die sich meistens auf der Handelsmarine, besonders bei der Küsten-
schiffahrt heranbilden. Niemals hat irgend ein anderes Volk solche Thätig-
keit zur See entwickelt, wie das englische. Die Handelsmarine Großbri-
tanniens und Irlands ist die größte der Welt und zählt, die größeren Küsten-
fahrer miteingerechnet, 26000 Seeschiffe mit 5,700000 Tonnen Tragfähig-
keit Tonne 1000 Kilogramm), darunter 3700 Dampfer. Durchschnittlich
baut mau des Jahres ca. 1000 neue, meist als Ersatz für die zu Grunde
gegangenen; die Durchschnittsgröße eines Schiffes beträgt 216 Tonnen.
Zur Bemannung dieser Handelsflotte gehören ca. 300000 Mann.
Handel und Gewerbthätigkeit sind beide kolossal. Der
Britte bezieht vom Auslande nicht bloß, was er zur Befriedigung des
eigenen Bedarfs braucht, sondern auch was er aus den englischen Häfen
in andere Länder, sei es unverändert als Naturprodukt oder in seinen
Fabrikstädten zu Maaren umgewandelt, weiter verführen kann. Hieran
schließt sich noch die Ausbeute des eignen an Produkten so reichen brittifchen
Bodens selbst, die er im höchsten Maße verarbeitet und verwerthet. In
Großbritannien und Irland gibt es ca. 30 Mill. Stück Schafe; dennoch
*) Nach der vom Kriegsminister Cardwell im März 1872 vorgelegten
und vom Parlamente genehmigten Gliederung sind die vereinigten Königreiche in 66
Territorialbezirke einzntheilen. In jedem dieser Bezirke soll ein Infanterieregiment zu
2 Bataillonen geworben werden. Eines der Bataillone hätte, in abwechselndem Turnus,
den Dienst in den Kolonien zu thun, während das andere als Depotbataillon zugleich
das Personal zur Ausbildung eine's Milizregimentes zu stellen hat, das in der Stärke
von 2 Bataillonen konskribirt werden soll. Mit einem Volunteerregiment von ver¬
schiedener Stärke bilden Linien- und Milizregiment dann eine Brigade unter dem Kom-
mando eines Generals, Diese Bestimmungen sind indes bis jetzt nur in unvoll-
kommener Weise durchgeführt, namentlich, was die erhöhte Ausbildung der Miliz und
der Freiwilligen betrifft. Sachverständige schlagen überhaupt den militärischen Werth
der Volunteers, da in deren Organisation jede Dienstleistung in das Belieben des ein-
zelnen gestellt ift, sehr gering an und für die Wehrkraft des Landes wenig ins Ge-
wicht fallend. '