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Das Stiefmütterchen unserer Gärten ist dafür der beste Beweis. Bis zum Jahre
1810 war es in seiner jetzigen Pracht unbekannt, es wuchs nur auf dem Felde.
Da erwählte es eine junge Engländerin zu ihrer Lieblingsblume und verpflanzte
es in ihren Garten. Ihr Gärtner nahm sich des Blümchens an, und durch
Pflege des Bodens und durch Kreuzung gelang es ihm bald, die prächtigsten
Arten zu gewinnen.
8. Oer Kirsckbaum.
1. Blüte. Der Blütenstiel ist oben wie ein Kelch erweitert. Diese Er¬
weiterung heißt Blüten- oder Fruchtboden, weil darauf die Blüte und die
Frucht ruhen. Am Rande dieses Bodens stehen Kelch-, Blüten- und Staub¬
blätter. Koste den Blütenboden! Er schmeckt süß, denn
.er ist mit Honig überzogen. Daher besuchen die Bienen
die Kirschblüte gern. Durch das leuchtende Weiß
werden sie angelockt.
2. Wie die Kirsche entsteht. Wenn die Biene
kommt, Honig zu naschen, so setzt sich der Blüten¬
staub an ihren Härchen fest. Später wird er an dem
Stempel einer anderen Blüte abgestreift, der ihn mit
seiner klebrigen Narbe festhält. Ein Staubkorn genügt,
um die Samenanlage im Fruchtknoten zu befruchten.
Darauf vertrocknet die Blüte und der größte Teil
Süßkirsche. be3 Blütenbodens. Der Fruchtknoten schwillt an und
bildet sich mit seiner Hülle zur Kirsche aus, indem die
Wand sich in Haut, Fruchtfleisch und die hartholzige Steinwand gliedert. (Be¬
deutung der Teile!) — Von dem Steine haben die Kirschen (Pflaumen usw.)
den Namen Steinfrucht erhalten. Hüte dich, Kirschkerne zu verschlucken!
3. Kirschsliege. Nicht selten finden sich Maden in den reifen Kirschen.
Sie rühren von der Kirschfliege her, die ihre Eier in die jungen Kirschen legt.
Die Maden verpuppen sich in der Erde unter dem Kirschbaume. Umgrabe den
Baum und stampfe die Erde Anfang Mai, ehe die Fliege auskriecht!
9. Knospen.
Brich vor Entfaltung der Blüten und Blätter Zweiglein von verschiedenen
Bäumen! Deutlich noch siehst du die Narben, die die Blätter hinterließen, als
sie im vergangenen Herbste vom Baume fielen. Über jeder Narbe aber hat sich
schon im vorigen Spätsommer eine Knospe gebildet, worin wohlverwahrt Blätter,
Blüten oder Triebe des nächsten Jahres schlummern. Lederartige Schalen, oft
auch dicht stehende Haare, umschließekk die zarten Gebilde so eng und dicht, daß
ihnen selbst die grimmigste Kälte nichts anhaben kann. Berühre die Knospen
der Roßkastanie im Frühjahre, wenn sie aufbrechen wollen, mit dem Finger!
Sie sind klebrig. Suche andere klebrige Knospen! Die klebrige Masse ist ein
harzartiger Stoff; sie dient dazu, die Knospenschuppen fest miteinander zu ver¬
kleben und so das Eindringen der Külte und Feuchtigkeit zu verhindern. Wenn
der Saft im Frühjahre in die Bäume steigt, gelangt er auch in die Knospen. Sie
schwellen an, die Hülle zerplatzt, und die jungen Blätter unb Blüten dringen hervor.