Full text: [Oberstufe, 1. Abteilung, [Schülerband]] (Oberstufe, 1. Abteilung, [Schülerband])

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der Mann in seinem Briefe mitteilen konnte, daß sein Hauptmann, 
der Enkel des Deutschen Kaisers, ihn beauftragt habe, einen Gruß 
und Wünsche für baldige Besserung beizufügen! Kamen Leute 
von der Kompanie des Prinzen ins Lazarett, so konnten sie 
auf wiederholte Besuche ihres Hauptmanns rechnen, der sich per— 
sönlich überzeugte, ob es ihnen an nichts fehle. Ganz besonders 
liebenswürdig aber war der Prinz, wenn es sich darum 
handelte, seiner Kompanie den Weihnachtstisch zu decken. Jeder 
Mann der Kompanie wurde beschenkt, und nicht etwa, wie es der 
Zufall wollte, sondern wie es seinen Wünschen entsprach, die der 
Prinz auf Umwegen stets vorher auskundschaften ließ. Diese 
Weihnachtsbescherungen mit Choralgesang unter den brennenden 
Weihnachtsbäumen auf weiß gedeckten Tischen in der Kaserne werden 
gewiß bei allen Teilnehmern in dauernder Erinnerung geblieben sein. 
Trotz dieser liebenswürdigen Freundlichkeit ging es aber bei 
der Kompanie des Prinzen im Dienste sehr scharf und schneidig zu. 
Wie der Prinz unermüdlich seine Pflicht erfüllte, verlangte er auch 
von jedem Soldaten, daß er seine Schuldigkeit thäte. 
Als Prinz Wilhelm Oberst war, erfuhr er einst, daß mehrere 
Offiziere seines Regimentes im Spiele große Geldsummen verloren 
hatten. Er befahl deshalb seinen Offizieren, das Spiel zu unter— 
lassen. Die Angelegenheit kam vor den kaiserlichen Großvater, der 
wohl geneigt war, dahin zu wirken, daß das Gebot zurückgenommen 
würde. Er ließ den Prinzen kommen und ersuchte ihn darum. 
Aber der Prinz blieb standhaft und sagte: „Majestät, gestatten Sie 
mir die Frage: Bin ich noch Oberst des Regimentes?“ — „Ja 
natürlich“, entgegnete der Kaiser. „Dann gestatten mir Majestät, 
daß ich meinen Befehl aufrecht halte, oder — daß ich mein Kom— 
mando hiermit in Ew. Majestät Hände zurücklege“ Dem Kaiser 
gefiel das entschlossene Wort, und er besänftigte den Prinzen rasch, 
indem er sagte: „O, davon kann keine Rede sein; einen so guten 
Obersten finde ich ja nicht wieder.“ Und es blieb bei dem Spiel— 
verbote. Als beim Kaiser wieder angefragt wurde, sagte dieser: 
„Thut mir leid; ich habe alles versucht, aber der Oberst will durch— 
aus nicht.“ 
Gleich allen Hohenzollern ist auch Wilhelm II. Soldat mit Leib 
und Seele. Selten ist in die preußische Armee ein junger Mann 
eingetreten, der leiblich so wenig geeignet erschien, ein tüchtiger und 
schneidiger Reiteroffizier zu werden wie der junge Prinz Wilhelm. 
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