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beschreiben dann, auf Schienen laufend, einen Halbkreis und legen
selbst die schwersten Lasten leicht und gewandt in den Eisenbahnwagen,
mit dem das flüchtige Dampfroß davoneilt.
Von den Häfen ist zur Zeit der Segelschiffhafen der großartigste. Er
vermag über hundert der größten Seeschiffe aufzunehmen. Auch die großen
Damper der Hamburg-Amerikanischen Paketfahrt-Aktien-Gesellschaft
EAPAO) haben darin ihre Liegeplätze. Fahren wir auf einem kleinen
Kahne durch den Hafen, so wird uns fast ängstlich zumute gegenüber
den stolzen Dreimastern und Dampfern, von denen manche schon wieder—
holt die fernsten Reiche des Erdballs besucht und nach Sturm und
Wetter reiche Lasten oder Reisende glücklich ans Land gebracht haben.
Da weht das Sternenbanner Nordamerikas neben der blutroten Flagge
Englands. Neben Brasiliens Weltkugel sieht man Rußlands weiß—
blau⸗rote Querstreifen. Von diesem Schiffe hört man ein rauhes
nordisches Lied, von jenem einen sanften italienischen Sang. Hier
tönt uns ein derber britischer Ruf, dort ein treuherziges deutsches
Willkommen entgegen. Man erblickt ein Wirrsal von schlanken Masten,
straffen Tauen und buntfarbigen Flaggen und Wimpeln, und das
Ohr wird betäubt von dem Klirren und Rasseln der gewaltigen
Dampfkrane, den Befehlen der Steuerleute beim Löschen und Laden,
dem Johlen der Matrosen, wenn sie Taue ziehen, und dem Geheul
des Dampfrohrs der großen transatlantischen Dampfer.
In den Straßen, die in der Mitte der Stadt liegen, erinnert alles
an die Schiffahrt. Es begegnen uns dort breitschultrige Seeleute mit
wetterhartem Angesicht und europamüde Auswanderer. Auf den
Aushängeschildern sehen wir außer deutschen auch englische, mitunter
sogar französische und spanische Inschriften. Eine Menge von Schenken
und Geschäften ist für die Wünsche und Bedürfnisse der Seefahrer
und Auswanderer berechnet. Dieser Verkäufer empfiehlt spanische
Weine, Rum, Kognak und andere geistige Getränke, jener Ankertaue
und Teer. Hier hängen rote und blaue Flanelljacken, dort Matrosen—
mützen oder Wasserstiefel. In solchen Straßen drückt die Seehandels—
stadt dem ganzen Leben und Treiben ihr Gepräge auf.
Hannoversches Lesebuch.
213. Die aAuswanderer.
. Ich kKann den Blick nicht von euch wenden,
ich mub euch anschaun immerdar;
wie reicht ihr mit geschäft'gen Händen
dem Schiffer eure Habe dar!
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