Preußen als Königreich. Friedrich I. Friedrich Wilhelm I. § 462—464. 275
in dessen Sold und Abhängigkeit Jakob II. stand, erfuhr von diesen VerHand-
lungen und faßte neuen Haß gegen Friedrich Wilhelm. Doch erlebte letzterer
die Ausführung dieser Plane nicht mehr, aber hinterließ sie als erste Aufgabe
seinem Sohne Friedrich III.
§ 463. Der große Kurfürst steht als der einzige, wahrhaft große Herr-
scher da, den Deutschland im 17. Jahrhundert hervorgebracht. Er hat dem
so traurigen westfälischen Frieden seine ersten Segnungen abgewonnen. Denn
indem derselbe Deutschlands Reichsform auflöste und aus den Fürsten souveräne
Herren machte, hat Friedrich Wilhelm auch zuerst als solcher gehandelt, aber
zum Heile Deutschlands; er hat die neue Macht aufgebaut, die an die Stelle
des verfallenen Kaiserthums hinaufwachsen mußte. Bei seiner geringen Macht
hat er durch Bündnisse, die er in und außer Deutschland schloß, das Ueber-
gewicht eines Reiches in Europa zu hindern gewußt, besonders dem über-
mächtigen Ludwig XIV. entgegengearbeitet. Er war der Erste, der 1672
der Uebermacht Ludwigs XIV. entgegentrat: der letzte, der 1679 vor ihm vom
Kampfplatze wich. Seine Pfade hat später der Dränier Wilhelm III. (§ 438)
mit größerer Macht und darum mit noch größerem Erfolge betreten. In den
oft treulosen und gewaltthätigen Staatskünsten seiner Zeit wohl erfahren, hat
er seinen Einfluß aufzubauen verstanden, indem er nicht minder ein kühner
Kriegsmann war; mit geringen Mitteln hat er einen großen Staat begrün-
det. — Aber die Heldengestalt des großen Kurfürsten verwandelt sich in
die eines sorgenden Hausvaters, wenn wir seine innere Verwaltung be-
trachten. Weise und sparsam erhöhte er die Hilfsquellen seines Landes,
und obwohl er die Steuerkraft desselben stark anspannte, so wuchs doch
der Wohlstand der Bevölkerung. Die Aufnahme der französischen, Flücht-
linge, denen dann sein Sohn in Berlin eine eigene Colonie einräumte, hob
die noch in der Kindheit, liegende Industrie. Durch Straßen und Kanäle
erleichterte und mehrte er den Verkehr. Sein Hauptwerk in dieser Beziehung
ist der Friedrich-Wilhelms- oder Müllroser-Canal, der Oder und Spree
und somit Oder und Elbe verband. Und dieser Mann, der das Größeste in
seinem Geiste umfaßte, dessen Gesandte und dessen Hof bei feierlichen Gelegen¬
heiten der Sitte der Zeit gemäß in glänzendem Prunk auftraten, war daheim
einfach, schlicht bürgerlich und kindlich. Er hat in Potsdam selber die Karpfen-
teiche gefischt, im Lustgarten von Berlin feine Tulpenzwiebeln begossen, den ersten
Blumenkohl in den Marken gezogen, und die eingekauften Singvögel selbst vom
Markte im Käfig nach Hause getragen. Als politischer Charakter nicht immer
vorwurfsfrei (gleich Gustav Adolf), war er im häuslichen Leben voll tiefer,
echter Frömmigkeit. In würdiger, liebevoller Weife stand ihm feine erste Ge-
mahlin Luise Henriette von Oranien, zur Seite. Als er starb, hinter-
ließ er- in Norddeutschland eine zwar noch nicht zusammenhängende, doch so
bedeutende Staatsmacht, — größer als das heutige Baiern, Württemberg und
Baden zusammengenommen — daß ihr zum Königreiche nur noch der Name fehlte.
8. Preußen als Königreich. Friedrich 1. (1688—1713).
Friedrich Wilhelm I. (1713-1740).
§ 464. _ Dem großen Kurfürsten folgte sein Sohn, Friedrich III. Der
Vater hatte die Fähigkeiten desselben gering angeschlagen — geringer, als sie
waren, und zwischen Vater und Sohn war deshalb nicht immer das beste Ein-
vernehmen gewesen. Oestreich hatte den Erbprinzen mehrfach unterstützt und,
früheren Verabredungen gemäß, gab er als Kurfürst an dasselbe den Kreis
Schwiebus zurück (1694), verweigerte es aber, zugleich einen förmlichen Ver-
18*