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Tags weiße Sterbehemden antun und sie dann in das feindliche Lager
gehen lassen, damit sie vor dem Heerführer einen Fußfall täten. Die
Ktnblem werde Gatt beschirmen, und es könne sein, daß durch sie der
ganzen Stabt Gnade widerfahre.
Nachdem die Bürger eingewilligt, begab sich der viertelsmeister selbst
ZU Prokop und erwirkte für einen Tag Aufschub des Sturmes. Er brachte
von Prokop einen Zettel mit, worauf stand: „vir ist bis morgen um
diese Zeit Bedenk gebt."
Kn dem bestimmten Tage mußten nun alle Kinder der Stabt, welche
nicht über vierzehn und nicht unter sieben Jahren waren, sich vor dem
Kathause versammeln, 238 Knaben und 321 Mädchen. Den Kindern
wurde aufgegeben, daß sie, sobald sie ins Lager gekommen, mit gen
Himmel gehobenen Händen niederfallen und Gnade, Gnade rufen sollten.
So gingen sie hin und ihre Engel gingen auch mit.
Die Eltern waren inzwischen in großer Zorge um die Kinder. Die
Mütter folgten ihnen bis an einen Grt, wo sie Augenzeugen von ihrem
Schicksal sein konnten. Als die Kinder nun unaufgehalten in das feindliche
Lager gekommen und vor des Anführers Zelt gebracht worden waren,
wußte sich dieser die Sache anfangs gar nicht zu erklären. Die Kinder
taten, wie verabredet worden,' sie fielen auf die Knie und riefen: Gnade,
Gnade! Davon ward Prokop betroffen, hieß die Kinder stille sein und
hielt Kriegsrat, und nach einer halben Stunde gab er den Kindern die
freundliche Zusicherung, es solle ihnen hier kein Leid geschehen. Dann
ließ er Spielleute kommen, dazu Wein, Kirschen und dergleichen bringen
und setzte sich mit den andern Befehlshabern mitten unter die Kinder,
die nun ganz fröhlich um ihn herum tanzten und sangen. Nachdem sie so
den Tag mit vieler Lustbarkeit verbracht, zogen sie des Abends wieder
heim. Am Tore mußten sie rufen: Victoria Hussiata! Den Bürgern ließ
Prokop durch sie zurücksagen, es solle ihnen keine Feindseligkeit von ihm
widerfahren. Zn der Nacht brach er sein Lager ab, und am Morgen war
kein Feind mehr zu sehen.
Nun war große Freude in der Stadt. Oer viertelsmeister erhielt
ein Geschenk von 200 Gulden, und man beschloß, zur Erinnerung an diese
Kettung jährlich den 28. Juli feierlich zu begehen. Die Kinder mußten
alljährlich an diesem Tage in Prozession an den Grt des Lagers ziehen und
wurden mit Gbst und Belustigung erfreut. Sie bekamen die Erlaubnis,
mit grünen Zweigen in den fänden bei klingendem Spiel ihren Aus- und
Einzug zu halten, wobei sie riefen: Victoria Hussiata! Noch immer wird in
Naumburg alljährlich mit großem Glanz und Festlichkeit das Kirschfest
gehalten, und die Kinder dieser Stadt freuen sich das ganze Jahr darauf.
Ferdinand Bäßler.