Entwicklung des deutschen Geisteslebens im 19. Jahrhundert. 245
Noch notwendiger aber als die äußere war die innere Restau¬
ration der Kirche. Neben der Einwirkung der Überlebenden aus dem
Kreise der Fürstin Gallitzin — Leopold von Stolberg und Overberg
— in Norddeutschland und des Sailerschen Kreises im Süden —
Wittmann und Diepenbrock — waren es die Romantiker, die der
katholischen Kirche allmählich eine achtunggebietende Stellung in
Deutschland zurückeroberten. Wenn auch die Romantik keine spezifisch
katholische Erscheinung war, wenn auch die meisten ihrer Vertreter
— Novalis, August Wilhelm und Friedrich von Schlegel, Tieck,
H. v. Kleist, Hossmann u. a. — von Geburt aus der protestantischen
Kirche angehörten, so standen die Romantiker doch mehr auf katho¬
lischem als protestantischem Boden, ja, mehrere traten sogar aus der
protestantischen zur katholischen Kirche über.
Gleichzeitig begann auch die theologische Wissenschaft in
Deutschland sich neu zu entsalten. Wenn auch der Bonner Prosessor
Hermes (1775/1831) vergeblich den Versuch machte, die katholische
Theologie mit der deutschen Philosophie in Einklang zu bringen —
er verkannte dabei den wesentlich positiven Charakter des Christen¬
tums: die christlichen Lehren gehen nicht aus der Vernunft hervor,
sondern entstammen derOffenbaruugsquelle, haben göttlichen Ursprung —,
so begründeten doch durch ihre erfolgreichen Arbeiten Möhler (gest. 1838)
und Döllinger (1799/1890) die sogenannte historische Schule, die sich
vorwiegend der Erforschung der Vergangenheit der katholischen Kirche
zuwandte.
Der Wecknng des katholischen Bewußtseins in den breiten Volks¬
schichten diente auch der Streit um die Mischehenfrage in den
dreißiger Jahren. Nach dem Allgemeinen Landrecht wurden die An¬
gelegenheiten der Mischehen in Preußen vom Staate allein geregelt.
Die katholische Kirche verlangte aber für den Fall einer gemischten
Ehe das Versprechen katholischer Kindererziehung und die Assistenz
des Pfarrers bei der Schließung der Ehe. Der Kölner Erzbischof
Graf Fr. v. Spiegel hatte in einer geheimen Konvention mit der
preußischen Regierung sich aus die Beachtung des preußischen Gesetzes
verpflichtet und dafür auch seine Suffragane gewonnen. Sein Nach¬
folger, Klemens August von Droste Vischering, weigerte sich 1836, die
Konvention auszuführen. So entstanden die Kölner Wirren, die die
beiden Erzbischöse von Köln und von Gnefen ins Gesängnis brachten.
Als aber 1840 Friedrich Wilhelm IV. den Thron bestieg, wurden die
gefangenen Kirchenfürsten in Freiheit gesetzt, und zur Sicherung des
religiösen Friedens wurde eine katholische Abteilung im Kultus-