Full text: Anschaulich-ausführliches Realienbuch

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An dem Kriege gegen Frankreich 1806 nahm er als General teil. Als bei Jena 
und Auerstädt das preußische Heer geschlagen war, führte er auf dem Rückzüge die 
Nachhut. Von allen Seiten hart bedrängt, wandte er sich nach Norden und suchte 
Schutz in Lübeck. Mit seinen 15000 Mann verteidigte er sich hier noch wacker gegen 
ein feindliches Heer von 80000 Mann. Doch bald unterlag er der Übermacht und 
mußte sich mit dem Rest seiner Armee ergeben. Dem Bericht aber fügte er eigen¬ 
händig hinzu: „weil ich kein Brot und keine Munition mehr habe." 
d. Königin Luise auf der Flucht; Friede zu Tilsit. 
1. Auf der Flucht. Die Königin hatte ihren Gemahl ins Feldlager begleitet. 
Am Tage der unglücklichen Schlacht bei Jena und Auerstädt jedoch reiste sie über 
Magdeburg nach Berlin. Aber hier war sie bald nicht mehr sicher. Die Flucht 
mußte bis nach Königsberg fortgesetzt werden. Die Aufregung und die Sorge ums 
Vaterland warf die edle Königin aufs Krankenbett. Aber das französische Heer kam 
immer näher, und die Königin sah sich noch einmal zur Flucht gezwungen. Mitten 
im kalten Winter und bei dem fürchterlichsten Sturm und Schneegestöber wurde sie 
nun in den Wagen getragen und 20 Meilen weit über die kurische Nehrung nach 
Memel gebracht. Drei Tage dauerte die schreckliche Reise. Die erste Nacht ver¬ 
brachte sie auf der kurischen Nehrung in einer Stube, deren Fenster zerbrochen waren, 
so daß der Schnee auf ihr Bett geweht wurde; daneben fehlte es ihr an erquickender 
Nahrung. Seit jener Zeit wurde sie nie wieder ganz froh und gesund. Jedoch er¬ 
trug sie das Unglück mit Mut und Gottvertraun. Ein ganz besonderer Trost in 
dieser Zeit der Not war für das Königspaar die Liebe des Volkes, die sich in diesen 
Tagen in rührendster Weise zeigte. 
Einmal ließ sich ein Bauer mit seiner Frau aus der Weichselniederung beim Könige 
anmelden. Als sie vorgelassen waren, stellte die Bauersfrau einige Pfund frische Butter, 
recht sauber in Kohlblätter eingeschlagen, aus den Tisch und überreichte sie der geliebten 
Landesmutter Luise zum Geschenk. Die Königin nahm die Butter dankend an, und eine 
Thräne der Rührung glänzte in ihrem Auge. Als darauf der Bauer anfing, einige Worte 
zum König zu reden, sagte dieser: „Aha, merke schon, ihr bringt mir den Käse zu der 
Butter." „Nein," sagte der Bauer, „ich habe etwas andres im Beutel. Wir haben ge¬ 
hört, daß unsres lieben Königs Kasse leer sei. Darum haben wir in der Gemeinde ge¬ 
sammelt und möchten nun unserm gnädigen armen Könige ein Geschenk machen." Tief¬ 
gerührt siel ihm der König mit den Worten in die Rede: „Nein, nein, ich bin nicht arm, 
so lange ich noch solche Bauern zu Unterthanen habe." Der Bauer aber schüttelte den 
Inhalt seines Beutels auf den Tisch, und siehe es waren 2000 blanke Goldstücke. 
2. Friede zu Tilsit 1807. Noch zweimal stellte sich Preußen dem gewaltigen 
Napoleon entgegen: bei Eylau und Friedland. Aber es unterlag. Da sah sich der 
König gezwungen, Frieden zu schließen. In Tilsit wurde darüber verhandelt. Auch 
die Königin Luise erschien hier und bemühte sich, das Schicksal ihres Landes zu 
mildern. Aber es war vergebens. Napoleon nahm alles Land westlich der Elbe, 
ließ sich 90 Millionen Mark Kriegskosten zahlen und stellte die Bedingung, daß 
Preußen nie mehr als 42 000 Mann Soldaten halten durfte. Aus den eroberten 
Ländern westlich von der Elbe bildete er das Königreich Westfalen, das er seinem 
Bruder Jerome gab, der seine „lustige" Residenz auf Wilhelmshöhe bei Kassel halte. 
s. Neugestaltung des preußischen Staates. 
1. Steins Reformen. Das Unglück wurde ein guter Lehrmeister für Preußen. 
Man merkte bald, woran es gefehlt hatte, und sann auf Abhülfe. Diese zu schaffen, 
schien dem Könige der Freiherr von Stein der geeignete Mann zu sein; ihm übertrug 
Realienbuch. B, 5
	        
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