Full text: Realienbuch (Teil 3)

Geschichte. 
daß die frühere Abneigung der Süddeutschen 
gegen Preußen schnell überwunden wurde. 
4. Krankheit und Tod. Im Jahre 
1887 erkrankte der Kronprinz an einem hals— 
leiden, und bald vernahm man im deutschen 
Volke mit sorgenvoller Trauer, daß die Krank— 
heit sich mehr und mehr verschlimmere. Die 
ärzte sandten den kranken Fürsten, der seine 
Leiden mit großer Geduld und Ergebung trug, 
nach verschiedenen Kurorten und zuletzt nach 
Italien. Dort traf ihn die Nachricht von dem 
Tode seines Vaters. Als sterbenskranker Mann 
eilte er trotz des rauhen Winterwetters nach 
Deutschland, und übernahm als „Kaiser Fried— 
rich III.“ die deutsche Kaiserwürde und die 
preußische Königskrone. Nur 99 Tage hat 
Kaiser Wilhelm II. er die Regierung geführt. Fürst Bismarck 
blieb an der Spitze der Staatsleitung. Seine 
Dankbarkeit für treu geleistete Dienste bewies Kaiser Friedrich auch dadurch, daß er den 
General v. Blumenthal, der ihm 1866 und 1870/71 zur Seite gestanden hatte, zum 
Feldmarschall ernannte. — Die schreckliche Krankheit machte immer weitere Fortschritte. 
Kaiser Friedrich war bald nicht mehr imstande zu sprechen und mußte seine Wünsche 
schriftlich mitteilen. Mit heldenhafter Überwindung trug er alle Schmerzen; seinem 
ältesten Sohne, dem Kronprinzen Wilhelm, schrieb er einst auf einen Settel: „Lerne 
leiden, ohne zu klagen!“ Mit wehmütiger Freude wohnte er der Vermählung seines 
zweiten Sohnes, des Prinzen heinrich, bei und nahm auch noch, auf seinen Säbel gestützt 
im Wagen stehend, über die 2. Garde-Infanterie-Brigade, die der Kronprinz Wilhelm ihm 
vorführte, eine Parade ab. Am 15. Juni 1888 machte ein sanfter Tod dem schweren 
Leiden des edlen Fürsten ein Ende. — Wenn Kaiser Friedrich III, den man wegen 
seiner Gestalt und seines Schicksals mit dem helden Siegfried verglichen hat, den deut— 
schen Kaiserthron auch nur wenige Monate lang einnahm, so wird sein Name doch im 
herzen des deutschen Volkes unauslöschlich fortleben. Mit der Geschichte der deutschen 
Einigung und der Wiederaufrichtung des Deutschen Reiches ist er für alle Zeiten verknüpft. 
— RKaiser Friedrichs Gemahlin starb im Jahre 1901 auf Schloß Friedrichshof im Taunus, 
wohin sie sich zurückgezogen hatte. 
V. wilhelm ILI. 
1. Jugendzeit. Wilhelm II., der älteste Sohn des Raisers FSriedrich, erblickte 
am 27. Januar 1859 das Licht der Welt. Wie bei allen hohenzollernprinzen, so 
ging auch bei ihm die Ausbildung des Geistes und Körpers hand in hand. Als 
RKnabe sah er Vater und Großvater in den Krieg ziehen, und Begeisterung erfüllte ihn, 
wenn er von den hohen Taten hörte, die unter ihrer Führung geschahen. Später wurde 
Prinz Wilhelm auf das Gymnasium zu Kassel gesandt; er war der erste Hhohenzoller, der 
eine öffentliche Schule besuchte. Nachdem er 1877 die Abgangsprüfung mit Ehren be— 
standen hatte, bezog er die Universität Bonn, um Rechts- und Staatswissenschaften zu 
studieren, mit Vorliebe beschäftigte er sich daneben mit Weltgeschichte. An dem fröhlichen 
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