Geschichte.
genosse gegen die Sicherheit oder das Wohl des Stammes schwer vergangen, so wurde
er den Göttern als Opfer dargebracht. Landesverräter wurden gehängt, Feiglinge
in einem Sumpfe erstickt.
9. Rechtspflege. Die Freien der einzelnen hundertschaften und Gaue ver—
sammelten sich von Zeit zu Zeit, um über Streitigkeiten zu entscheiden. hatte jemand
einen Menschen erschlagen, so trachteten ihm die Verwandten des Toten nach dem
Leben Glutrache!). Er konnte sich aber durch ein „Wergeld“ loskaufen, das in Rindern
oder Pferden an die Sippe des Toten gezahlt wurde. War der Getötete ein Freier,
so bestand das Wergeld manchmal aus großen herden. Für hörige war es erheblich
niedriger; für einen Unfreien brauchte nur Ersatz geleistet zu werden. Wurde das Wergeld
nicht gezahlt, so mußte der Schuldige fliehen. Er wurde aus seiner Sippe ausgestoßen
und für friedlos erklärt, so daß ihn niemand aufnehmen, aber jedermann töten durfte.
10. Sitten und Gebräuche. Bei den alten Deutschen galten gute Sitten mehr
als bei andern Völkern Gesetze. Das Wort wurde höher geschätzt als bei andern der
Eid. Der hausvater war herr über seine Angehörigen; er durfte sogar Frau und
Kinder verkaufen und seine Knechte töten. Die Ehe wurde als heiliger Bund betrachtet.
Der Freie wählte aber nur die Tochter eines Freien zur Lebensgefährtin. Die Braut
wurde von den Angehörigen gekauft, manchmal auch geraubt. Die Hausfrau nahm
eine sehr angesehene Stellung ein, mußte aber auch allen Arbeiten vorstehen. Da das
Brauen und Schlachten, das Spinnen und Weben im hause verrichtet wurde, war sie mit
den Knechten und Mägden von früh bis spät unermüdlich tätig. Besondere Seit und Mühe
erforderte das tägliche Mahlen des Getreides und die Anfertigung der Bekleidung. Die
Deutschen sahen in den Frauen etwas heiliges und hörten gern auf ihre Ratschläge.
Unbeschränkt wurde die Gastfreundschaft geübt. Der ankommende Gast
wurde über die Schwelle des hauses geleitet und von der hausfrau mit einem Kusse
willkommen geheißen. Man versah ihn, wenn es nötig war, mit trockener Kleidung,
wies ihm einen Sitz am herdfeuer an und bewirtete ihn mit dem Besten, was im
Hause vorhanden war. Er galt als unverletzlich und stand unter dem besonderen
Schutze des hausherrn. Beim Abschiede erhielt er noch ein Geschenk.
Die Freiheit liebten die Deutschen so sehr, daß in Kriegsnöten die Frauen ihre
Kinder und sich selbst manchmal töteten, um nicht mit ihnen in Knechtschaft zu geraten.
Den Tugenden standen aber auch Laster gegenüber. Wenn die Männer nicht
auf einem Kriegszuge oder auf der Jagd waren, so feierten sie gern Gelage. Dabei
hielten sie im Trinken vielfach nicht Maß und ergaben sich dem Würfelspiele. In der
Leidenschaft verspielten sie dann wohl Vieh und äcker, ja Frau und Kinder und
ihre eigene Freiheit, so daß sie das Gelage als Unfreie verließen. Solche Unfreie behielt
man nicht gern in dem Gaue; man verkaufte sie in ferne Gegenden.
Die Toten wurden begraben, oder auf Scheiterhaufen verbrannt. Dem Manne
gab man seine Waffen mit und tötete sein Pferd, sowie seine Knechte.. Die Frau wurde
in ihrem besten Schmuck und mit allerlei hausgerät bestattet.
11. Religion. Die alten Deutschen waren heiden, glaubten aber an ein Sortleben
der Seele und an eine Wiedervergeltung nach dem Tode. Ihre Götter verehrten sie unter
alten Bäumen in heiligen hainen. Dort befanden sich einfache holzgebäude, in denen
sich die Opfernden versammelten, und in denen die großen Opferkessel und andre
Opfergeräte, sowie erbeutete Waffenstücke aufbewahrt wurden. Jeder freie deutsche
hausvater konnte den Göttern opfern; es gab aber auch besondere Stammespriester.