Full text: Realienbuch (Teil 3)

Geschichte. 
genosse gegen die Sicherheit oder das Wohl des Stammes schwer vergangen, so wurde 
er den Göttern als Opfer dargebracht. Landesverräter wurden gehängt, Feiglinge 
in einem Sumpfe erstickt. 
9. Rechtspflege. Die Freien der einzelnen hundertschaften und Gaue ver— 
sammelten sich von Zeit zu Zeit, um über Streitigkeiten zu entscheiden. hatte jemand 
einen Menschen erschlagen, so trachteten ihm die Verwandten des Toten nach dem 
Leben Glutrache!). Er konnte sich aber durch ein „Wergeld“ loskaufen, das in Rindern 
oder Pferden an die Sippe des Toten gezahlt wurde. War der Getötete ein Freier, 
so bestand das Wergeld manchmal aus großen herden. Für hörige war es erheblich 
niedriger; für einen Unfreien brauchte nur Ersatz geleistet zu werden. Wurde das Wergeld 
nicht gezahlt, so mußte der Schuldige fliehen. Er wurde aus seiner Sippe ausgestoßen 
und für friedlos erklärt, so daß ihn niemand aufnehmen, aber jedermann töten durfte. 
10. Sitten und Gebräuche. Bei den alten Deutschen galten gute Sitten mehr 
als bei andern Völkern Gesetze. Das Wort wurde höher geschätzt als bei andern der 
Eid. Der hausvater war herr über seine Angehörigen; er durfte sogar Frau und 
Kinder verkaufen und seine Knechte töten. Die Ehe wurde als heiliger Bund betrachtet. 
Der Freie wählte aber nur die Tochter eines Freien zur Lebensgefährtin. Die Braut 
wurde von den Angehörigen gekauft, manchmal auch geraubt. Die Hausfrau nahm 
eine sehr angesehene Stellung ein, mußte aber auch allen Arbeiten vorstehen. Da das 
Brauen und Schlachten, das Spinnen und Weben im hause verrichtet wurde, war sie mit 
den Knechten und Mägden von früh bis spät unermüdlich tätig. Besondere Seit und Mühe 
erforderte das tägliche Mahlen des Getreides und die Anfertigung der Bekleidung. Die 
Deutschen sahen in den Frauen etwas heiliges und hörten gern auf ihre Ratschläge. 
Unbeschränkt wurde die Gastfreundschaft geübt. Der ankommende Gast 
wurde über die Schwelle des hauses geleitet und von der hausfrau mit einem Kusse 
willkommen geheißen. Man versah ihn, wenn es nötig war, mit trockener Kleidung, 
wies ihm einen Sitz am herdfeuer an und bewirtete ihn mit dem Besten, was im 
Hause vorhanden war. Er galt als unverletzlich und stand unter dem besonderen 
Schutze des hausherrn. Beim Abschiede erhielt er noch ein Geschenk. 
Die Freiheit liebten die Deutschen so sehr, daß in Kriegsnöten die Frauen ihre 
Kinder und sich selbst manchmal töteten, um nicht mit ihnen in Knechtschaft zu geraten. 
Den Tugenden standen aber auch Laster gegenüber. Wenn die Männer nicht 
auf einem Kriegszuge oder auf der Jagd waren, so feierten sie gern Gelage. Dabei 
hielten sie im Trinken vielfach nicht Maß und ergaben sich dem Würfelspiele. In der 
Leidenschaft verspielten sie dann wohl Vieh und äcker, ja Frau und Kinder und 
ihre eigene Freiheit, so daß sie das Gelage als Unfreie verließen. Solche Unfreie behielt 
man nicht gern in dem Gaue; man verkaufte sie in ferne Gegenden. 
Die Toten wurden begraben, oder auf Scheiterhaufen verbrannt. Dem Manne 
gab man seine Waffen mit und tötete sein Pferd, sowie seine Knechte.. Die Frau wurde 
in ihrem besten Schmuck und mit allerlei hausgerät bestattet. 
11. Religion. Die alten Deutschen waren heiden, glaubten aber an ein Sortleben 
der Seele und an eine Wiedervergeltung nach dem Tode. Ihre Götter verehrten sie unter 
alten Bäumen in heiligen hainen. Dort befanden sich einfache holzgebäude, in denen 
sich die Opfernden versammelten, und in denen die großen Opferkessel und andre 
Opfergeräte, sowie erbeutete Waffenstücke aufbewahrt wurden. Jeder freie deutsche 
hausvater konnte den Göttern opfern; es gab aber auch besondere Stammespriester.
	        
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