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der Belagerten, und auf die Tücher, Strohsacke und
Wollenballen, womit sie die Mauern der Stadt bedeckt
hatten. Der Wind trieb die schnell auflodernden Flam¬
men gegen die Feinde und hüllte sie in dichten Dampf,
und als sie in wilder Verwirrung vor den drohenden
Lanzen und Schwertern der Christen wichen, drang
Gottfried mit seinen tapfern Kriegern zuerst in die
Stadt. Der heldenmüthige Tankred und andere Rit¬
ter erstiegen die Walle, stürmten durch die zerrissenen
Mauern, durch die zerbrochenen Thorc, und das jubelnde
Siegesgeschrei: Gott will es! Gott will es!
erscholl in den Straßen der Stadt. Die rohen Sie¬
ger, von Rachsucht entflammt, entehrten sich durch
gräßliches Morden. Ueberall in den Straßen und Hau¬
sern wurden die Bewohner, Bewaffnete und Wehrlose,
umgebracht, und kaum konnten sich die Christen durch
die Leichenhaufen den Weg zu dem der großen Moskee,
oder dem muhammedanischen Tempel, bahnen, wo die
Feinde ihre letzte Zuflucht suchten. Ueber zehntausend
sielen hier unter dem Schwerte der Sieger, und die
grausenvolle Beschreibung, welche Augenzeugen von
jenem schrecklichen Tage geben, erzählt uns, das Blut
sei so hoch in der Moskee geflossen, daß es den
abscheulichen Mördern bis an die Knöchel reichte.
Aber plötzlich folgte ein anderes Schauspiel.
Herzog Gottfried verließ die blutdürstigen Krieger
und ging, von einigen Gefährten begleitet, unbewaffnet
und wehrlos, nach der Kirche des heiligen Grabes, um
Gott im andächtigen Gebete für den Sieg zu danken.
Und als das Kriegsvoik dieß vernahm, warfen alle die
Waffen weg, zogen wie Büßende in die Kirche, wo
die wenigen, in der Stadt zurück gebliebenen, Krieger
ihnen mit Kreuzen und Gesang entgegen kamen, und
erhoben die blutbefleckten Hände zum Gebete. Aber
diese andächtigen Regungen konnten die Seelen jener
rohen Horden nicht milder und menschlicher machen;