Full text: Realienbuch (Teil 3)

Geschichte. 45 
den Graben, der bei höhenburgen trocken war, führte eine schmale Zugbrücke. Sie hing 
an Ketten und war in gefährlicher Zeit aufgezogen, so daß sie das Burgtor verdeckte und 
schützte. Das Tor war aus dicken Eichenbalken gezimmert und mit Eisen beschlagen. Über 
ihm erhob sich gewöhnlich ein starker Turm. hinter dem äußeren Tore befand sich oft noch 
ein zweites, inneres, und zwischen beiden ein eisernes Fallgitter. Große Burgen besaßen 
häufig noch einen zweiten, inneren Mauerring. Den Raum zwischen den Mauern nannte 
man den Zwinger. Er enthielt die Stall- und Wirtschaftsgebäude, sowie die Wohnungen 
für die Knechte. Auf der höchsten Stelle erhob sich ein hoher Turm mit meterdicken Mauern, 
der Bergfried. Er bildete den letzten Zufluchtsort für die Bewohner, wenn die Burg 
vom Seinde erstürmt war. Sein unterster, kellerartiger Teil, das Verlies, diente als Ge— 
fängnis; in dem höchsten Kaume, von dem man weit in das Land sehen konnte, hielt sich 
gewöhnlich ein Wächter auf. Der schmale Eingang zu dem Turme lag mehrere Meter 
hoch über dem Boden und konnte nur durch eine Leiter erreicht werden. Über ihm 
befand sich ein Erker, durch dessen Bodenöffnung man schwere Steine auf den Angreifer 
werfen oder siedendes Wasser und öl auf ihn heruntergießen konnte. Neben dem Berg— 
fried stand das Wohnhaus der Kitterfamilie, der Palas. Er enthielt im Erdgeschosse 
eine große halle, die mit Waffen und Geweihen, mit Decken und Fellen geschmückt 
und mit Bänken versehen war. Sie diente den Männern zum Aufenthalt. Über ihr 
befanden sich die Kemenaten, d. h. die mit Kaminen versehenen Frauengemächer. Die 
SFenster waren klein und nur durch Läden geschlossen; kleine, runde, in Blei gefaßte 
Glasscheiben kamen erst im 15. Jahrhundert auf. 
5. Ritterliches Leben. Befand sich der Ritter nicht auf einem Kriegszuge, 
so beschäftigte er sich mit Waffenübungen oder mit der Jagd. KAuch die Edelfrau ritt mit 
dem abgerichteten Falken auf der Faust zur Reiherbeize. Im Sommer sah der Burgherr 
nach seinen äckern und Wiesen, deren Bearbeitung seinen hörigen oblag, oder er be— 
suchte seine Nachbarn zu ritterlichem Waffenspiel und fröhlichem Gelage. Wenn im Winter 
aber der Verkehr durch große Schneefälle wochenlang gehemmt wurde, war das Leben auf 
den unzugänglichen Burgen, um deren Mauern die Stürme brausten, oft recht unbehaglich 
und einsam. 
Sür den Kampf war der Kitter von Kopf bis zu Fuß schwer gerüstet. Der Schuppen— 
und Kettenpanzer, den man anfänglich trug, wich im 12. Jahrhundert der Rüstung aus 
Eisenplatten. Der helm, der prächtig mit Straußenfedern geschmückt war, konnte so dicht 
geschlossen werden, daß nur eine schmale ffnung für die AHugen verblieb. Der eiserne Schild 
war gewöhnlich mit der Gestalt eines Tieres bemalt, so daß der gerüstete Ritter für seine 
Freunde zu erkennen war. Aus diesen Abzeichen, die sich bald vom Vater auf den Sohn 
vererbten, sind die Wappen entstanden. Als Waffe diente die mit eiserner Spitze ver— 
sehene Lanze und das zweihändige Schwert. Da die Rüstung sehr schwer war, mußte der 
Ritter immer zwei starke Rosse mit sich führen, das eine für den Marsch, das andre 
für den Kampf. Das Schlachtroß war durch Decken geschützt, auf denen Eisenplatten 
befestigt waren. — Nicht selten wurden von den Sürsten große Waffenspiele, „Curniere“, 
veranstaltet, zu denen von weit und breit die Ritter in ihrem schönsten Schmucke 
erschienen. Ein großer freier Platz wurde dazu abgesperrt; herolde hielten das zahl⸗ 
reich zuströmende Volk in Ordnung und dienten als Kampfordner. Von hohen 
Bühnen herab schauten vornehme Frauen dem Turniere zu. Bei dem Einzel— 
kampfe kam es darauf an, den Gegner mit der Lanze so zu treffen, daß er aus dem 
Sattel fiel. Wenn die Rosse in vollem Jagen gegeneinander stürmten und die Speere auf
	        
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