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inib Schneeburgen, seinen Unmut von Zeit zu Zeit biird) den Donner 
herabrollender Lawinen kundgebend. 
Durch Busch und Flur streifen nun Tag und Nacht linde Lüfte; 
es regt sich in den Thälern und regt sich auf den Höhen. Überall 
knospet's in den Zweigen und grünt's auf den Wiesen. Zwischen den 
zarten Spitzen des Grases zeigt sich schon die blaue Blüte des wolrie- 
chenden Veilchens und die goldgelbe Krone des zarten Hahnenfußes. In 
den Gärten erhebt die Kaiserkrone stolz ihr Haupt, und die Tulpe prangt 
in den buntesten Farben. Bald werden die Kirschbäume ihre weißen 
Blüten entfalten und an den Zweigen der Birn-und Äpfelbäume die 
Knospen in Rosensträußen aufbrechen. Es ist überall ein Weben und 
Schaffen, ein Keimen und Sprossen wie am dritten Schöpfungstage. 
Freundlich lächelnd blickt die Sonne vom ftaren Himmel und ruft 
aus den engen Stuben die Menschen ins Freie. Tie fröhliche Jugend^ 
athmet wieder auf; die Knaben spielen wieder mit Kreisel und Ball, 
die Mädchen führen Ringeltänze auf und flechten die ersten Kränze. 
Der Landmann streuet in die sorgsam gezogenen Furchen den Samen. 
Aus den Ställen treibt der Hirt die muntere Herde, und in frohen 
Sprüngen weidet diese das frische Gras. Wie auf der Erde, so wird 
es auch schon in den Lüften lebendig. Schwalben durchziehen sie in 
schnellem Fluge, und Lerchen erheben sich singend langsam bis zu den 
Wolken. iNoch fehlt zwar die Nachtigall, ^aber schon ist eine große 
Schar anderer Sänger zurückgekehrt. Auf den Dächern der Baucrn- 
hütten hat auch der Storch seinen alten Platz wieder eingenommen, 
und an den Bächen hüpft die muntere Bachstelze von Stein zu Stein. 
Alles athmet Freude und Lust. Das Blut kreist rascher in den Adern, 
-'. bie Brust weitet sich, unb die Hoffnung zieht ein mit allen ihren Selig¬ 
keiten. Wer aber die Sorge nicht aus seinem Herzen bannen kann, 
in dessen Brust kann auch der Frühling nicht einziehen, wie schön er 
auch da draußen ist. Gude. 
84. (*m Spaziergang am Morgen. 
Rüstig schritt ich über die blumige Wiese hin, immer nach Osten 
zu, wo Berge und Thäler meiner warteten, die ich vorher noch niemals 
besucht hatte. Und als die letzten Sterne erloschen und nur der Morgen¬ 
stern noch Zögerte seinen fliehenden Brüdern zu folgen, führte mich der 
schmale Fußpfad um einen waldigen Hügel, der ein weites Thal verbarg, 
welches jetzt noch geheimnisvoll hinter dem Schleier der zerrinnenden 
Dämmerung lag. Aber mit jedem Schritte, den ich vorwärts that, kam 
mir der zögernde Tag immer heller und heller entgegen.
	        
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