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Da horch — im totenstillen Wald 
was für ein süßer Ton erschallt? 
Da sieh — in tiefer dunkler Nacht 
was für ein süßes Licht erwacht? 
Als wie von Kinderlippen klingt’s, 
von Ast zu Ast wie Flammen springt’s, 
vom Himmel kommt’s wie Engelsang, 
ein Flöten- und Schalmeienklang: 
Weihnacht! Weihnacht! 
Und siehe — welch ein Wundertraum: 
Es wird lebendig Baum an Baum, 
der Wald steht auf, der ganze Hain 
zieht wandelnd in die Stadt hinein. 
Mit grünen Zweigen pocht es an: 
„Tut auf, die sel’ge Zeit begann, 
Weihnacht! Weihnacht!“ 
Da gehen Tür und Tore auf, 
da kommt der Kinder Jubelhauf, 
aus Türen und aus Fenstern bricht 
der Kerzen warmes Lebenslicht. 
Bezwungen ist die tote Nacht, 
zum Leben ist die Lieb’ erwacht, 
der alte Gott blickt lächelnd drein; 
des laßt uns froh und fröhlich sein! 
Weihnacht! Weihnacht! 
Lieder und Balladen, 6. Ausl. 1892. Wildenbruch. 
16. Auch ein Heiliger Abend. 
3n Berlin war's an einem WeihnachtsHeiligabend, daß ein 
großes blondes Weib nach dem „Prediger bei den Soldaten" fragte. 
Sie schaute mich an, und als sie die weißen Haare sah, sagte sie: 
„Ja, Sie sind der alte Herr, den er meint." Ich wußte noch immer 
nicht, was sie wollte. Endlich sagte sie: „Wir sind Schiffersleute ans 
Litauen und fahren hierher nach Berlin. Da ist mein Vater immer 
hier in die Garnisonkirche gegangen; jetzt ist er todkrank und möchte 
gern das heilige Abendmahl von dem alten Herrn haben. Kommen 
Sie doch schnell mit!" Ich zog den Pelz an, nahm die heiligen
	        
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