104 
Strick als Zeichen der Macht über Leben und Tod. Nun wurde der An¬ 
geklagte mit verbundenen Augen vorgeführt. Der Freigraf hielt ihm sein 
Verbrechen vor. Bekannte er sich schuldig, so wurde er, falls das Urteil 
auf den Tod lautete, sofort gehenkt. Schwur er den Reinigungseid, so konnte 
der Ankläger mit drei Eideshelfern dagegen auftreten. Vermochte der An¬ 
geklagte schließlich 21 Eideshelfer zu stellen, die seine Unschuld beschworen, 
so wurde er freigesprochen. Erschien der Angeklagte nicht vor Gericht, so galt 
er für schuldig. Er wurde dann in die Acht getan «verfemt), d. h. für vogelfrei 
erklärt. Jeder Wissende hatte die Pflicht, den Verfemten aufzuhenken, wo 
er ihn traf. Er mußte aber sein Messer neben dem Gehängten in den 
Baum stechen zum Zeichen, daß hier die Feme gerichtet hatte. Auf diese 
Weise wurde mancher Verbrecher unversehens von der Rächerhand gefaßt 
und empfing, was seine Taten wert waren. Das war namentlich nötig in 
der Zeit, wo das Faustrecht galt. 
8 62. Rudolf von Habsburg. 1. Rudolfs Wahl und 
Krönung. Rudolf war ein Graf aus dem Schweizerland, einfach und 
bieder, klug und heiter, tapfer und kampfessreudig. Sein Stammsitz war 
die Habsburg. In seiner kleinen Grafschraft hielt er streng aus Recht und 
Frieden. Als nun 1273 die Kurfürsten in Frankfurt a. Main einen neuen 
Kaiser wühlen wollten, schlug Burggraf Friedrich von Hohenzollern den Grafen 
Rudolf von Habsburg vor. Alle Kurfürsten wählten ihn; nur König Ottokar 
von Böhmen nicht, weil er gar nicht eingeladen war. Rudolf nahm die 
Wahl an und wurde in Aachen gekrönt. Bei dem Krönungsmahl dienten 
ihm die Kurfürsten des Reiches, wie es Brauch war (s. S. 87, § 54). 
2. Rudolf schafft dem Reiche Frieden. Der neue Kaiser 
wußte sehr gut, daß die Raubritter die schlimmsten Ruhestörer im Reiche 
waren. Er nahm sich deshalb vor, ihnen das Handwerk zu legen. Zunächst 
griff er den schlimmsten Raufbold, den Grafen Eberhard von Württemberg 
an, besiegte ihn und zerstörte seine Burg. Dann zog er mit seinem Heere 
durch Thüringen und Rheinland, zertrümmerte die Raubburgen und strafte 
die Räuber. In Thüringen allein hat er 66 solcher Raubnester zerstört und 
an einem Tage 29 der adeligen Raubritter aufhängen lassen. 
3. Rudolf besiegt den Böhmenkönig König Ottokar von 
Böhmen war der reichste und mächtigste Fürst im Reich. Er hatte in der 
kaiserlosen Zeit auch die deutschen Lande Österreich, Steiermark und andere 
an sich gerissen. Jetzt erklärte er, er wolle dem Kaiser, „den der Bettelsack 
drücke", nicht huldigen. Als Rudolf nun von ihm verlangte, er solle die 
deutschen Länder herausgeben, verweigerte Ottokar den Gehorsam. Da zog 
der Kaiser gegen ihn ins Feld. Glücklicherweise kam der deutsche Adel in 
Österreich und den andern Ländern Rudolf zu Hülfe. Da unterwarf sich 
Ottokar. Rudolf empfing ihn in einfachster Kleidung. „Ottokar hat oft über 
mein graues Wams gelacht; heute soll mein graues Wams über ihn lachen", 
soll er gesagt haben, als sein Gegner sich in königlicher Pracht nahte. Als 
Ottokar den Huldigungseid geschworen hatte, belehnte ihn der Kaiser mit 
Böhmen und Mähren. Die deutschen Länder mußte er herausgeben. Voll 
Ingrimms zog Ottokar heim und rüstete zum Kriege. Doch Rudolf war auf 
der Hut. Er besiegte den Böhmenkönig auf dem Marchselde bei Wien (1278).
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.