Hoffmann. Hagedorn. Förster.
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Einst rief der Glockenschlag ihn nach der Kirche hin;
Denn hier dacht' er durch Beten und durch Singen
Dem Himmel neuen Segen abzudringen.
Er ließ aus großer Ei? das Schreibpult offen stehn.
Petz, der den Haufen- Gold erblickte
Und den die Langeweile drückte,
Sinnt sich zum Zeitvertreib ein kleines Spielwerk aus.
Er holt ein Goldstück nach dem andern
Und läßt zum Fenster frisch hinaus
Die Louisdor und die Dukaten wandern.
Das war ein Lärmen um das Haus!
Wer laufen konnte, lief, und bald ward vom Gedränge,
So breit die Straße war, der Platz doch viel zu enge.
Ein jeder schrie: „Herr Petz, mir auch ein Stück!"
Man haschte, sprang und fiel, und wem zum guten Glück
Eins in die Hände fiel, dem kam es hoch zu stehen;
Ein Jubel war's, dies Schauspiel anzusehen.
Indessen kam der Geizige zurück.
Er sah den Drang und rief: „Was giebt's für Unglück hier?
Mein Geld! Mein Geld! — O weh! Es büße mir,
Komm' ich hinauf, verruchter Dieb, dein Blut!"
Hier schwieg er; denn ihm schloß die Lippen seine Wut.
„Herr," sprach ein alter Mann, „Herr, mäßigt Eure Hitze!
Das Geld ist Euch wie ihm und ihm wie Euch nichts nütze.
Der Affe wirft es weg, und Ihr? Ihr sperrt es ein!
Wer mag von euch der Klügre sein?"
89. Blauveilchen.
Bon Ernst Förster. Gedichte. Leipzig, 1854.
Ein kleines Blauveilchen
Stand eben erst ein Weilchen
Unten im Thal am Bach,
Da dacht' es einmal nach
Und sprach:
„Daß ich hier unten blüh',
Lohnt sich kaum der Müh',
Muß mich überall bücken
Und drücken,
Bin so ins Niedre gestellt,
Sehe gar nichts von der Welt.
Drum wär' es ganz gescheit gethan,
Ich stieg ein bißchen höher hinan".
Und wie gesagt, so gethan.
Aus dem Wiesenland
Mit eigner Hand
Zieht es ein Beinchen nach dem
andern
Und begiebt sich aufs Wandern.
„Drüben der Hügel wär' mir schon
recht;
Wenn ich den erreichen möcht',
Könnt' ich ein Stückchen weiter
sehn;
Dahin will ich gehn".
Und so im behenden Lauf
Steigt das Veilchen den Hügel
hinauf,
Pflanzt sich dort oben ein
Im schönsten Sonnenschein.