Full text: Für Oberklassen (Stufe 3)

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halfen zuschlagen, und ein Sturmwind, vom Herrn gesandt, stürzte den 
Baum, daß er in vier Stücke zersplitterte. Dem Volke entfuhr ein Schrei 
wilden Schreckens. Sie erwarteten, ihr Gott werde den Frevler züchtigen 
und mit einem Blitzstrahl vernichten. Als das aber nicht geschah, er¬ 
kannten sie die Ohnmacht ihrer Götzen und ließen sich taufen. Aus dem 
Holze, welches der gefällte Baum des Aberglaubens gab, erbaute Boni- 
sacius ein Bethaus zu Ehren des Apostels Petrus. 
3. Unter den Klöstern, die Bonifacins gründete, wurde besonders 
das zu Fulda in Hessen wichtig. Sein Schüler Sturm hatte den 
Platz dazu aufgesucht. Auf einem Esel reitend, durchzog Sturm die 
wilden Gegenden und die düstern Wälder, Psalmen und Loblieder singend. 
Überfiel ihn die Nacht, so bereitete er unter den weiten Zweigen der 
uralten Eichen sein Lager, getrost dem vertrauend, der alle Haare auf 
unserm Haupte gezählt hat. Und der schützte ihn gegen die Anfälle der 
reißenden Tiere, wie der Menschen. Einst zog er seinen einsamen Weg 
an den Ufern eines Flusses hin. Da stürzte eine Schar wilder Heiden 
auf ihn zu und umgab ihn mit höhnendem Geschrei. Er wußte, sein 
Leben stehe in des Herrn Hand, und trat ihnen ruhig und gefaßt ent¬ 
gegen; und sie ließen ihn ungehindert weiter ziehen. Endlich fand er eine 
Gegend, die ihm zum Bau eines Klosters passend schien. Nun holte er 
die Erlaubnis des Bonifacins ein. Die Bäume wurden ausgerodet; 
Kalköfen wurden gebaut, und schon nach Jahresfrist waren hohe Mauern 
erbaut. Diese Stiftung, die schon zu Sturms Zeiten 400 Brüder zählte, 
ward eine gesegnete Anstalt zur Ausbreitung des Evangeliums. 
4. Bonifacins war nun hochbetagt und wußte, daß sein Tod nicht 
mehr fern sei. Da erwachte die alte Jugendliebe zu dem Friesenvolke. 
Sie zu bekehren, ehe er sein müdes Haupt zur Ruhe legte, war sein 
letzter Wunsch. Seine Freunde, die ahnen mochten, daß er nicht zurück¬ 
kehren werde, beschworen ihn mit Thränen zu bleiben. Er aber kannte 
den Willen seines Herrn, ließ sein Leichentuch in die Kiste mit Büchern 
packen, welche er auf seinen Reisen mit sich führte, und bestieg mit 52 
Priestern, Diakonen, Mönchen und Dienern ein Rheinschiff, welches ihn 
bald zu den Friesen brachte. Mit jugendlicher Kraft verkündete er den 
Namen Christi. So gewaltig wirkten seine Predigten, daß sich viele 
taufen ließen. Seine Stunde aber nahte. Den 5. Juni 755 hatte 
Bonifacins zur feierlichen Einsegnung vieler Getauften bestimmt. Die 
aufgehende Sonne verkündigte eben den Anbruch des wichtigen Tages. 
Da wird die feierliche Stille des Morgens plötzlich durch Fußtritte 
nahender Scharen unterbrochen. Bonifacius glaubt, es seien die Täuf¬ 
linge. Er tritt im priesterlichen Schmucke aus dem Zelte, um die Kom¬ 
menden zu begrüßen. Aber welch' ein Anblick! Eine Schar von Heiden 
hat sich aufgemacht, die Ehre ihrer Götter zu rächen, und hält dem Er¬ 
staunten die blitzenden Schwerter entgegen. Die Diener des heiligen 
Mannes stürzen aus dem Zelte hervor, um mit ihren Waffen den Leib 
des geliebten. Meisters zu decken. Er aber wehrt ihnen. Mild und 
freundlich spricht er: „Lasset ab, meine Diener, lasset ab vom Streite. 
Die Heilige Schrift lehrt uns ja, Böses nicht mit Bösem, sondern mit 
Gutem zu vergelten. Schon lange habe ich mich nach diesem Tage ge¬ 
sehnt; die Zeit meiner Auflösung ist da. Seid stark im Herrn; nehmt
	        
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