54
Physik-
flüssig geworden ist; dann erst steigt es bei andauernder Erwärmung wieder.
Merkwürdig ist es auch, daß Metallverbindungen oder Legierungen
einen niedrigern Schmelzpunkt haben als die einzelnen Metalle, aus denen
die Legierung zusammengesetzt ist.
§ 64. Das Sieben des Wassers. Man fülle eine gläserne Kochflasche
zum Teil mit Wasser, schütte eine kleine Menge Sägespane hinein und er¬
wärme sie über einer Spiritusflamme. Die Sägespüne werden nach einiger
Zeit in lebhafte Bewegung geraten. Die untere Wasserschicht wird nämlich
zuerst erwärmt, dehnt sich aus, wird leichter und steigt nach oben, während
die kälteren und dichteren Wasserteilchen nach unten sinken. So entsteht
im Wasser eine beständige Strömung oder Zirkulation. Bei zunehmen¬
der Erhitzung steigen Luftblasen aus, welche an der Oberfläche zerspringen;
denn auch die in dem Wasser befindliche Luft wird ausgedehnt und entweicht.
Später steigen größere Blasen auf, die schon zerplatzen, noch ehe sie die
Wasseroberfläche erreichen. Das sind Dampfblasen. Das Wasser ver¬
wandelt sich nämlich bei -si 100° C in Wasserdampf. Die zerspringenden
Dampfblasen veranlassen ein eigentümliches Geräusch, das sogenannte Singen
des kochenden (siedenden) Wassers. Schließlich gerät die ganze Wassermasse in
wallende Bewegung. Das Wasser kocht oder siedet.
Durch das Sieden wird also das Wasser in Dampf verwandelt.
Hält man über ein Gefäß mit kochendem Wasser ein kaltes Glas, so
setzen sich Wassertropfen an dasselbe. Durch Abkühlung geht der Wasser¬
dampf wieder in den flüssigen Zustand über.
Verkorkt man eine Kochflasche, in welcher sich siedendes Wasser befindet,
dreht sie um uitb gießt etwas kaltes Wasser darauf, so fängt die Flüssigkeit
im Fläschchen wieder an zu kochen. Der über dem Wasser befindliche Wasser¬
dampf wird abgekühlt und verdichtet sich zu Wasser, und es entsteht ein
luftverdünnter Raum. In einem luftverdünnten Raume siedet das Wasser
bei einer niedrigern Temperatur als bei 100 ° C. Der Siedepunkt richtet
sich also nach der Größe des Luftdruckes.
§ 65. Das Verdunsten des Wassers. Wir machen im Sommer ost die
Wahrnehmung, daß Regentropfen, die auf einen Stein fallen, nach kurzer
Zeit verschwinden; Fußboden in Zimmern, die mit Wasser besprengt werden,
sind nach kurzer Zeit wieder getrocknet.
Das Wasser wird nicht nur bei fi- 100° C in Dampf verwandelt, sondern
bei jeder Temperatur geht ein Teil desselben aus dem tropfbar-flüssigen
in den luftförmigen Zustand über. Man bezeichnet diese Art der Verwand¬
lung des Wassers in Dampf als Verdunstung. Bei der Verdunstung
findet die Dampfbildnng nur an der Oberfläche einer Flüssigkeit statt.
Im heißen Sommer trocknen Straßen und Gräben schneller ans als im
Winter. Die Wäsche wird zum Trocknen aufgehängt, damit ihre ganze
Oberfläche mit der Luft in Berührung kommt; bei windigem Wetter trocknet
die Wäsche eher als bei windstillem Wetter. Die Verdunstung ist also um
so großer, je warmer, trockener und bewegter die Luft und je größer die
Oberfläche der Flüssigkeit ist.
Weingeist und Äther verdunsten viel lebhafter als Wasser. Umwickelt
man die Kugel eines Thermometers mit Watte, befeuchtet dieselbe mit etwas
Äther und schwingt das Thermometer einigemal durch die Luft, so ver-