Major domus. 49
erlosch der alte Eroberungsgeist; aber der Geist Mutiger
Zwietracht und des Mordes innerhalb des Königsgeschlechtes,
den wir bei dem Ahnen Chlodwig gesehen, erwachte aufs
neue in erschreckender Weise. Haß und Rachgier zwischen
den einzelnen Familien erzeugten eine Reihe blutiger Frevel
und der verruchtesten Verbrechen. Besonders wüteten gegen¬
einander Furien gleich die beiden Königinnen Brunehilde
und Fredeguude, von denen die erstere 10 Könige und
königliche Prinzen gemordet haben soll. Als sie endlich
in die Hände Clotars II., des Sohnes der nicht minder
schuldvollen Fredeguude, fiel, ließ dieser, so heißt es, sie
drei Tage lang foltern, dann auf einem Kamele im ganzen
Heer zur Schau herumführen und zuletzt, mit einem Arm
und einem Bein an den Schweif eines wilden Pferdes ge¬
bunden, zu Tode schleifen. Auch unter den Großen des
Reiches wütete zu dieser Zeit Gewalt und Habsucht, Hinter¬
list und Mord und Meineid.
' ~:x Unter solchen Freveln und den Stürmen des Bruder--^: -
kriegs erschlaffte allmählich die Kraft der merowingifchen
Könige; sie versanken in Trägheit und Sinnengenuß und
überließen, von ihren Unterthanen verachtet, die Regierungs¬
geschäfte ihrem Major domus, Hausmeter oder Groß-' -4- '
Hofmeister. Diese Hausmeier waren ursprünglich die Ver¬
walter des königlichen Haushaltes und der Krongüter und
hatten die Anführung der königlichen Vasallen, welche die
Krongüter als Sehen besaßen. Hernach aber wurden sie
die Anführer des gesamten Heerbanns und traten in Krieg
und Frieden völlig an die Stelle des Königs, während
dieser im Innern des Palastes sich trägem Nichtsthun und
der Schwelgerei überließ. Nur einmal im Jahre, aus dem
großen Märzfelde, der großen Reichsversammlung, erschien^ ' -
der König öffentlich vor dem Volke. Er fuhr dann nach- *
alter Sitte auf einem mit vier Ochsen bespannten Wagen,
die von einem nebenhergehenden Knechte nach Bauernart
getrieben wurden, in die Versammlung und saß im Schmuck
seines langen blonden Haares auf dem goldenen Thron
feiner Väter, während der Major Domus, das Kriegsfchwert
©toll, Erzählungen. III. 4