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dann immer näher und näher und heller und heller: „Kamerad, bist
du noch da?“ bis er zuletzt an mich gekommen ist, und ich habe
den Ruf weiter geschickt: „Bruder, bist du noch da?“ Reiner sieht
den andern, keiner verläht seinen Posten, aber man ruft einander
den hellen ermunternden Grußb zu. Das ist schön. Eine Rette von
freundlichen Worten, Glied an Glied, schliebt die deutschen Brüder
aneinander, die weit auseinander stehen. Alle sind wach und stehen
da für das Vaterland. Und ich habe mir da ganz Deutschland ge-
dacht, und von einer Grenze bis zur andern stehen sie da und rufen
einander zu: „Bruder, bist du noch da?“ Vater, lieber Vater! da
ist mir's warm ums Herz geworden, ich kann's nicht sagen, wie.
Und ich habe mein Gewehr mit beiden Händen hoch hinauf gehoben
und habe Gott gebeten, er soll mir's einmal für eine rechtschaffene
heilige Sache wieder in die Hand geben.
Die zwei Stunden sind mir herumgegangen wie ein Augenblick,
und so ost der Ruf an mich gekommen ist, habe ich ihn immer
sfreudiger hinausgerufen. Dazwischen habe ich das Lied in mich
hineingesungen:
Steh' ich in sinstrer Mitternacht
s0 einsam auf der stillen Wacht.
Es ist mir keines von den gelernten Liedern eingefallen. Wenn
man so ein Lied auch nur leise vor sich hinsingt, ist es doch gerade,
als ob man mit einem guten Geist sprãche.
Grũhet alle guten Freunde und Bekannte von Eurem
getreuen Lorenz.
43. Untreue schlägt den eigenen Herrn.
Als in dem Kriege zwischen Frankreich und Preußen ein Teil der
französischen Armee in Schlesien einrückte, waren auch Truppen vom
rheinischen Bundesheer dabei, und ein bayerischer oder württembergischer
Offizier wurde zu einem Edelmanne einquartiert und bekam eine Stube
zur Wohnung, wo viele sehr schöne und kostbare Gemälde hingen. Der
Offizier schien recht große Freude daran zu haben, und als er etliche
Tage bei diesem Manne gewesen und freundlich behandelt worden war,
verlangte er einmal von seinem Hauswirt, daß er ihm eines von diesen
Gemälden zum Andenken schenken möchte. Der Hauswirt sagte, daß er
das mit Vergnügen thun wollte, und stellte seinem Gaste frei, dasjenige
selber zu wählen, welches ihm die größte Freude bereiten könnte.