Full text: Deutsches Lesebuch für einfache Schulverhältnisse

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gegen den Oelberg liegt, nach der Kirche des heiligen Grabes und] 
überließ sich der Andacht. Plötzlich änderte sich der Auftritt m 
der Stadt. Die Wallbrüder, des Nordens müde, legten ihre Wafl®ü 
ab, reinigten sich von dem Blute der erschlagenen Türken und eilte11 
mit entblößten Häuptern und Füßen zu den von Blut rauchende», 
heiligen Oertern. Die Stadt, in welcher kurz vorher nur das wilde 
Geschrei der Würger und das Gewinsel der Sterbenden gehört würd®) 
erschallte jetzt von den Lobgesängen zur Ehre Gottes und von de»| 
Gebeten der zum Grabe des Heilandes Wallenden, und die grausam®1 
Krieger, deren Gemüth jeder milden Regung nach oben verschlösse1 
war, beugten jetzt ihre Kniee und vergossen Thränen der Anda®» 
an den Oertern, wo das noch warmfließende Blut an ihre Grausam' 
keit erinnerte. Viele, die mit gieriger Habsucht geraubt, opfert® 
jetzt Gott mit ausschweifender Freigiebigkeit ihren Raub und brachte 
ihn als Almosen den Alten, den Armen und den Kranken. Ander 
bekannten laut ihre Sünden und gelobten Besserung. Wohl sehe1 
sah man eine so schnelle Umwandlung. 
Man rechnet, daß in den 200 Jahren, während welcher d1 j 
Kreuzzüge dauerten, gegen sieben Millionen Menschen ins Morgen' 
land zogen, und nur wenige davon sahen ihr Vaterland wieder 
Sollen doch sogar im Jahre 1212 gegen 40000 Knaben aus Deutsch 
land und Frankreich sich auf den Weg nach dem gelobten Lau®! 
gemacht haben, aber meist umgekommen oder in Sklaverei gerat»® 
sein. Trotz dieser ungeheuren Opfer hatte das ganze Unternehme 
keinen Bestand. Das neue christliche Königreich in Jerusalem ®rJ 
hielt sich nur kümmerlich. Im Jahre 1291 ging auch die letzte 
Sitzung, das stark befestigte Ptolemais, verloren. — Die Kreuzzh^j 
sind uns ein großes Zeichen, an dem wir absehen können, wie m? ' 
für des wahren Gottes Ehre nicht eifern und mit welcherlei Wau® 
man für das Reich Jesu nicht streiten soll. Dessenungeachtet mußt® 
diese einerseits so bedauerlichen Züge den dabei am meisten 
theiligten Völkern Vortheile bringen, an welche diese selbst nicht 
dacht hatten. Sie belebten den Glauben und richteten den Si» 
vieler vom Zeitlichen hinweg auf höhere Güter; namentlich veredelt® 
sie den Geist des Ritterstandes, indem sie ihm ein höheres That®^. 
ziel steckten. An den Kämpfen der Kreuzzüge, an ihren 
Opferungen wie an ihren Vortheilen hatte mit den Fürsten 111. 
Adeligen zugleich auch der Bürger eifrigen Antheil genommen; 
waren hierdurch seine Kräfte erwacht, und viele der ansehnlich®®^! 
Städte erhoben sich den Fürsten und dem Adel gegenüber zu eM 
selbständigen Macht. So in Italien namentlich Venedig und Ge»1!', 
im südlichen Deutschland z. B. die Donaustädte Regensburg und L 
zumal aber im nördlichen Deutschland die Hansa, ein Bund, ^ 
welcher im Jahre 1300 gegen 70 Städte gehörten, vor allen Lüb® 
und Hamburg, dann z. B. Köln, Stettin, Thora, Danzig, Königsb®1^’ 
Bremen. In allen diesen Städten entwickelten sich Handwerke und ku» . 
reiche Gewerbe, worin nun die Abendländer mit den Bewohnern 
Morgenlandes wetteiferten; ein lebhafter Verkehr und Handel, L., 
namentlich auch durch die in der Zeit der Kreuzzüge fallende **
	        
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