Full text: Deutsches Lesebuch für einfache Schulverhältnisse

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„er steht in des größeren Herren Pflicht, 
er gehorcht der gebietenden Stunde. 
Wie il» den Lüften der Sturmwind saust, 
man weiß nicht, von wannen er kommt und braust, 
wie der Quell aus verborgenen Tiefen, 
so des Sängers Lied aus dem Innern schallt 
und wecket der dunklen Gefühle Gewalt, 
die im Herzen wunderbar schliefen." 
Und der Sänger rasch in die Saiten fällt 
und beginnt sie mächtig zu schlagen: 
„Aufs Waidwerk hinaus ritt ein edler Held, 
den flüchtigen Gemsbock zu jagen. 
Ihm folgte der Knapp mit dem Iägergeschoß, 
und als er auf seinem stattlichen Roß 
in eine All kommt geritten, 
ein Glöcklein hört er erklingen fern, 
ein Priester war's mit dem Leibe des Herrn; 
voran kam der Meßner geschritten." 
„Und der Graf zur Erde sich neiget hin, 
das Haupt mit Demuth entblößet, 
zu verehren mit gläubigen! Christensiun, 
was alle Menschen erlöset. 
Ein Bächlein aber rauschte durchs Feld, 
von des Gießbachs reißenden Fluten geschwellt, 
das hemmte der Wanderer Tritte; 
und beiseit legt jener das Sakrament, 
von den Füßen zieht er die Schuhe behend, 
daniit er das Bächlein durchschritte." 
„Was schaffst du? redet der Graf ihn an, 
der ihn verwundert betrachtet. — 
Herr, ich walle zu einem sterbenden Mann, 
der nach der Himmelskost schmachtet; 
und da ich mich nahe des Baches Steg, 
da hat ihn der strömende Gießbach hinweg 
im Strudel der Wellen gerissen. 
Drum daß dem Lechzenden werde sein Heil, 
so will ich das Wässerlein jetzt in Eil' 
durchwaten mit nackenden Füßen." 
„Da setzt ihn der Graf auf sein ritterlich Pferd 
und reicht ihm die prächtigen Zäurne, 
daß er labe den Kranken, der sein begehrt, 
und die heilige Pflicht nicht versäume. 
Und er selber auf seines Knappen Thier 
vergnüget noch weiter des Jagens Begier; 
der Andre die Reise vollfübret. 
Und am nächsten Morgen, mit dankendem Blick 
da bringt er dein Grafen sein Roß zurück 
bescheiden au, Zügel geführet."
	        
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