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auf dem Baume, wie die andern Vögel es tun, wenn sie ein Liedchen
singen — nein, hoch in der Luft fliegt es, wenn es singt. Wißt ihr
mir das Vöglein wohl zu nennen? Es ist die Lerche.
Die Lerche singt schon früh. Sie will dem lieben Gott danken
für die gute Nacht, die er ihr gegeben, für die vielen Würmchen und
Körnchen, die er sie hat finden lassen. Da könnten wir von der
lieben Lerche etwas lernen. Was wohl? Wir wollen auch früh¬
morgens an den lieben Gott denken und zu ihm sprechen: „Wir
danken dir für alle Gaben, die wir von dir empfangen haben."
Unser Lerchlein aber weiß noch ein andres Lied, das klingt
gar schön, und wer es hört, der freut sich mit. Wie heißt das Lied?
Es lautet: „Lirilirili, schön ist's in der Früh'!" Das singt die
Lerche den ganzen Morgen lang und wird nicht müde beim Singen.
Jetzt schweigt sie. Sie ist nicht mehr zu sehen. Wo mag sie geblieben
sein? Wenn wir ins Kornfeld gehen und das Gras und die Halme
sacht zurückbiegen, dann sehen wir sie wieder und noch mehr dazu.
Dort ist ihr kleines Nest unten auf der Erde. Von Gras und Halmen
ist es gebaut, und niedliche Eier liegen darin. Bald aber sind sie
ausgebrütet, und was findest du nun? Liebe, kleine Vögel liegen
im Neste, die haben noch kein Federkleid. Da müssen sie doch frieren?
Nein, die Mutter kommt mit ihren warmen Flügeln und deckt sie zu,
und der Vater holt Würmchen und Körnchen für den hungrigen,
kleinen Schnabel. Sieh, dann sperren sie ihn auf, und der Vater
gibt ihnen, was er mitgebracht hat. Diesmal ist es ein Würmchen,
ein andermal eine Fliege oder ein Sommervöglein. So geht's den
ganzen Tag. Ach, wenn nur nicht der böse Marder kommt oder das
Wiesel, was werden die mit den armen Vöglein tun? Vater und
Mutter können sie nicht schützen; aber der liebe Gott behütet sie,
daß ihnen kein Leid geschieht.
2. Wenn der Herbst kommt und die Blätter abwirft von den
Bäumen, dann ziehen unsre Lerchen fort, fort in wärmere Länder.
Hier ist ja nichts als Eis und Schnee, aber dort ist es Sommer, dort
gibt es Körnchen und Würmchen vollauf. Auf der Reise begegnet
mancher Lerche ein Unglück. Den ganzen Tag sind sie geflogen;
nun sind sie hungrig, und müde mögen sie auch sein; sie wollen
ausruhen und ein wenig Futter suchen. Sieh, dort im Busche steht
eine Hütte. Rund umher liegen die schönsten Körnchen. Was mag
das zu bedeuten haben? „Wir wollen hinfliegen und ein paar Körn¬
chen essen," denken die Lerchen und fliegen hin. Ach, sie wissen nicht,
was der Mann mit ihnen tun will, der in der Hütte wohnt. Er will
sie fangen mit seinem Netze und mit Schlingen und mit Leimruten, will
sie in einen Bauer setzen und vor das Fenster hängen oder sie auch