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wird der Baumwollenschnee von Käfigen verschlungen, die ihn in watten¬ 
artige Bogen gepreßt ans der anderen Seite abliefern. Ein Blick in 
einen solchen Käfig zeigt uns einen Wirrwarr von Freß- und Verdauungs- 
Werkzeugen; so schlingt und krümmt und windet es sich darinnen. 
So geht die Baumwolle durch zwölf Reinigungs-, Wurf-, Hechel-, 
Dresch- und Siebwerkzeuge, bis sie zuletzt blendend weiß, wunderschön 
als ein sich senkender Schnee hinsäuselt, aber ohne sichtbare Zwischen¬ 
räume, nicht als Flocken. Nachdem die flüssige Baumwolle zu großen 
Rollen geformt ist, wandert sie zu den Krempel- und Kämm-Maschienen, 
von wo sie den Ziehmaschinen überliefert wird, die in wunderbar künst¬ 
licher Weise den luftigen Stosi zu Fäden verarbeiten. Wenn nur aber 
einmal unter den Tausenden ein Faden reißt, was dann? So wie das 
geschieht, fällt eine Platte an der Stelle hörbar nieder, ein Zeichen für 
den Maschinisten, das ihn mahnt, die bestimmte Stelle sofort in Ruhe 
zu versetzen. Dies geschieht, und eins der beaufsichtigenden Mädchen holt 
das davongelaufene Stück Faden zurück, legt es an das Ende des zurück¬ 
gebliebenen, und der Schade ist schneller geheilt, ehe wir nur bemerken, 
daß die Maschine still stand. Dieses Ankleben, scheinbar eine gedanken¬ 
lose Verrichtung, ist eine Kunst, die große Übung verlangt. 
Wir steigen ein Stockwerk höher, noch eins und noch eine Treppe; 
überall Maschinen, die schnaubend und keuchend spinnen und weben. 
Zwischen ihnen stehen nur einzelne verstreute Menschen, alle gespannt 
aufpassend und zugreifend, wenn es die Maschine verlangt. Kaum ist hier 
und da einer zu entdecken, und doch sind es 1800 Menschen, deren Leben 
und Gesundheit hier mit versponnen wird, indem sie Maschinen beauf¬ 
sichtigen, welche über 120 000 spinnende Hände nicht bloß ersetzen, sondern 
an Feinheit und Meisterschaft der Arbeit unendlich übertreffen. 
116. London. 
(Nach Daniel und Grube.) 
London bedeckt einen Raum, der von Osten nach Westen 25, von 
Norden nach Süden über 12 Kilometer mißt. Alls diesem Raum hätte 
Paris dreimal, Berlin fünfmal, Hamburg dreißigmal Platz. Es ist die 
größte Stadt der Welt und hat weit über drei Millionen Einwohner, 
so daß es allein manchen Staat, wie z. B. das Königreich Sachsen, 
an Volkszahl übertrifft. Die ungeheure Stadt liegt zu beiden Seiten 
der Themse, zum größeren Teile auf dem linken, nördlichen Ufer. Die 
Themse ist Londons Größe und Londons Schmuck, sie ist die belebende 
Pulsader des gewaltigen Ganzen. Fast 20 Brücken, und darunter
	        
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