Full text: Lesebuch für Ober-Klassen in katholischen Elementar-Schulen

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T-'enden ein „preußischer" Prinz — als solchen betrachteten ihn 
die Franzosen — ans den Thron käme. Deshalb forderte der 
Gesandte des Kaisers Napoleon, der König von Preußen solle 
dem Prinzen verbieten, die Krone Spaniens anzunehmen. Der 
König erklärte, daß ihn die Sache nicht anginge. Die Sprache 
des französischen Hofes wurde drohender, und hochherzig verzich¬ 
tete Leopold von Hohenzollern, um ein „unabsehbares Unheil 
zweier Völker zu verhüten," ans die spanische Krone. Man hätte 
glauben sollen, daß dadurch selbst der Schein eines Vorwandes 
.zu einem Kriege geschwunden sei. Aber Napoleon wollte den 
Krieg. Er erklärte sich nicht zufrieden mit dem Verzichte und 
forderte durch seinen Gesandten Benedetti ans die unpassendste, 
unerhörteste Weise von dem greisen Könige, der im Bade Ems 
zur Kräftigung seiner Gesundheit weilte, er solle sich verpflichten, 
niemals zu gestatten, daß ein Prinz ans dem Hanse Hohenzollern 
die spanische Krone annehme. Würdig und fest lehnte der König 
die Zumutung ab und gab dem unverschämt sich aufdrängenden 
französischen Gesandten kein weiteres Gehör. Ans den Bericht 
des letzteren hin erklärte die französische Kammer, beistimmend 
den Vorschlägen der kaiserlichen Regierung, am 15. Juli fast 
mit Einstimmigkeit, daß zur Wahrung der französischen Ehre, zur 
Demütigung des unersättlichen Ehrgeizes Preußens das Schwert 
gezogen werden müsse. Am 19. traf die Kriegserklärung in 
Berlin ein. Mit tiefster Entrüstung vernahm das ganze deutsche 
Volk die Kunde, daß der Erbfeind freventlich den Frieden zu 
stören wage. Das gesamte Deutschland erkannte, daß es nicht 
Preußen allein, sondern ganz Deutschland gelte, und treu den 
geschlossenen Verträgen, treu ihrer deutschen Gesinnung erhoben 
sich die Staaten des Südens, um im Verein mit dem Nord¬ 
bunde fränkischem Übermute die Spitze zu bieten. Eine heilige 
Begeisterung, größer noch, als in den Tagen der Befreiungskriege 
1813 und 14 durchglühte aller Herzen. Von allen Seiten 
strömten die kräftigen Jünglinge zu den Bannern des tief be¬ 
leidigten Vaterlandes. Wohl erfüllte bange Besorgnis vor dem 
Ausgange eines Krieges gegen einen Feind, dessen militärische 
Tüchtigkeit nur zu hoch angeschlagen wurde, manche Brust; der 
Entschluß aber stand bei jedem fest, Blut und Leben der Rettung 
.des Vaterlandes freudig zum Opfer zu bringen. Ernst und eut-
	        
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