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Ruten peitschen ober mit dem Beile enthaupten. Vor Gericht verhandelte
man in römischer (lateinischer) Sprache, und römische Richter, deren
Sprache die Deutschen nicht verstanden, fällten die härtesten Urteile.
Fremde Sitten und Gebräuche, auch römisches Geld und Steuern, die
bis dahin den Bewohnern unbekannt waren, wurden ihnen aufgezwungen.
Über eine solche Behandlung ergrimmten die freiheitsliebenden Deutschen
sehr. Sehnsüchtig schauten sie aus nach einem Retter. Und siehe! er
erstand ihnen aus ihrer Mitte, aus dem Volke der Cherusker.
2. Hermann (Arminius), ein junger deutscher Fürst, war mit andern
vornehmen Fürstensöhnen in Rom in der Kriegskunst ausgebildet und ein
kluger und tüchtiger Kriegsmann und Held geworden. Er war in der
Fremde aber ein treuer Vaterlandsfreund geblieben und wurde bei seiner
Heimkehr betrübt über die Mißhandlung seines Volkes. Mit mehreren
deutschen Fürsten, die ebenso empfanden wie er, schloß er heimlich in der
Nacht einen Bund. Sie schwuren einander, das Vaterland vom Feinde
zu befreien. Varus merkte aber davon nichts, er hielt Hermann für
einen Freund der Römer, da dieser ja lange in Rom gewesen war.
3. Die Schlacht im Teutoburger Walde. Mit einem tüchtigen
Heere zog Hermann aus zum Streite für Recht und Freiheit. Weil er
aber wußte, daß er das mächtige Heer des Varus auf freiem Felde
nicht schlagen könne, so lockte er es mit List in eine sumpfige Gegend.
Zum Schein mußte sich ein deutscher Stamm zwischen Ems und Weser
gegen die Unterdrücker empören. Varus zog sofort aus, um denselben
zur Ruhe zu bringen. Durch viel Regen waren in der Zeit alle Wege
schlecht geworden. Als nun die römischen Soldaten im Teutoburger
Walde vor Müdigkeit und Nässe kaum noch fortkommen konnten, fielen
die Deutschen unter Hermanns Anführung über ihre gefährlichen Feinde
her. Drei Tage wütete der schreckliche Kampf; fast alle Römer fielen.
Varus stürzte sich vor Verzweiflung in sein eigenes Schwert. — In
Rom war große Trauer über diese Niederlage. Der Kaiser schrie vor
Wut einmal über das andere: „Varus, Varus, gib mir meine Legionen
wieder!" Die Deutschen aber feierten ihren Göttern zu Ehren voller
Jubel überall Opferfeste. Hermann war der Befreier seines Volkes ge¬
worden (9 n. Chr.). Die dankbare Nachwelt setzte ihm später (1875)
ein herrliches Denkmal, das Hermannsdenkmal bei Detmold im Teuto¬
burger Walde. (Vgl. 2. Lesebuch Nr. 110.)
Nr. 3. Die Völkerwanderung.
1. Anlaß. In den zweihundert Jahren von 375—575 n. Chr. haben
fast alle Volksstämme in unserem deutschen Vaterlande ihre Wohnsitze mehr
alseinmalverändert. Das war..die Zeit der Völkerwanderung.
Den Anlaß dazu gaben zunächst Überschwemmungen und Hungersnot, vor
allem aber das Einwandern eines wilden Reitervolkes aus dem fernen
Asien. Ums Jahr 375 verließen die Hunnen die Steppen Asiens und zogen
gegen Westen, nach Europa. Die Hunnen waren ein rohes und häßliches
Volk, klein von Gestalt und gelb von Farbe, mit großem Kopfe, schief¬
liegenden Augen, hervorstehenden Backenknochen, platter Nase, struppigem
Haare und krummen Beinen. Bon ihren kleinen und häßlichen Pferden
waren sie unzertrennlich; sie schliefen, aßen und tranken auf denselben.
Sie lebten von rohen Wurzeln und rohem Fleisch, welches sie unter ihrem
L-attel mürbe ritten, ja selbst allerlei Ungeziefer verzehrten sie mit größter
Gier. Felle von Böcken und Waldmäusen, wie auch leinene Kittel waren