Full text: Lesebuch für die Volksschulen des Fürstentums Schaumburg-Lippe

275 — 
weiten, unabsehbaren Thalebenen bieten sich ihm dar; zwischen engen 
Felswänden eingeklemmt rauscht er stolz und majestätisch dahin bis 
zum Siebengebirge. Als riesige Grenzsäulen sind die fieben Spitzen 
des Gebirges emporgerichtet. Von daͤan begleiten den Rhein uͤur 
noch auf der rechten Séite die Berge bis gegen die Mündung der 
Ruhr. Bonn, Köln, Düsseldorf, Aachen gehören dieser Landschaft an. 
Dichter und Reisende haben den Fluß, wo er von Bingen bis 
Bonn das Gebirge durchstroͤmt, vielfältig und nie zu sehr gepriesen. 
Das Alpenland sendet ihm die klarsten, immer vollen Fluten; die 
Berge enthüllen ihren innersten Gliederbau und zieren ihn mit präch— 
tigen Felsgruppen; die Rebe breitet sich an seinen Ufern gaus und haͤt 
selbst die gefährlichsten Stellen erklettert, um ihn von den Felsen herab 
noch mit schönen Weingeländen zu schmücken und an der milden Soune 
köstliche Trauben zu reifen; hohe, prachtvolle Walnußbäume beschatten 
die kleinen Ebenen am Strom; alle Arten von Obstbäumen schütten 
im Sommer und Herbst ihren reichen Segen in großer Fülle aus und 
bezaubern im Frühjahr durch eine unvergleichlich Blütenpracht. Auch 
der Mensch hat nun bald seit zwei Jahrtausenden daran gearbeitet, 
seine Ufer mit Städten und Felsenschlössern, mächtigen Festen und 
herrlichen Kirchen, mit Klöftern und Landhäusern zu zieren. Mit 
Recht kann der Rhein voll stolzen Bewußtseins seine Wellen rauschen 
und wogen lassen. An seinen Ufern hat Jung Siegfried die Drachen 
und Lindwürmer erschlagen, hat Roland gekämpft und der große Karl 
Gericht gehalten, hat die Lrelei gesungen und der fromme Ludwig 
geweint. Hier saßen die Pfalzgrafen vom Rhein, und die stolze Ritter⸗ 
schaft hielt hier glänzende Turniere. Burg um Burg begleiten auf 
den Höhen zu beiden Seiten seinen Lauf. Einige schauen noch trotzig 
hinab ins Thal, sie haben Jahrhunderte hindurch vor keinem Slutn 
gezagt; andere sind mit ihren Zinnen, die einst so kühn emporstrebten, 
zu Grabe getragen, nur lnoch wenig alterndes Gemäuer ist stehen ge— 
blieben, und der blaue Himmel schaut durch die offenen Fenster. Auf 
dem Flusse aber ist ein heues Leben erblüht. Hoch in die Lüfte wälzen 
sich aus dem Thale herauf Dampfwolken; stolz schwimmen die Dampf— 
schiffe stromauf und stromab; von dem Ufer stoßen bei jedem Dorfe, bei 
jeder Stadt Nachen um Nachen mit Reisenden diese steuern den Dampf— 
schiffen zu und ersteigen mittels einer kleinen Treppe die schuaubenden 
Rosse, die sich sogleich wieder in Bewegung setzen, wenn sie die letzten 
aufgenommen haben. Mit Jubel und Gruß gleitet das eine an dem 
andern vorbei. Keuchend wälzen sich die Schleppschiffe in den Wellen 
fort; große, schwer beladene Kähne folgen ihnen. Balsd sind sie über— 
holt von den rascheren Reiseschiffen. Auf kleinen Gondeln fahren 
Frauen und Mädchen zu Markte; sie wissen das Ruder ebenso ge⸗ 
schickt zu regieren, wie den breiten Korb mit Gemüse und Milch auf 
dem Kopfe zu tragen. Auf mächtigen Flößen schwimmen kräftige 
Männer den Strom hinab, als woͤllten sie die Schiffahrt in der ein— 
fachen Weise noch zeigen. Eine ganze Reihe von Bretterzelten haben 
sie auf ihrem Floͤß aufgeschlagen, das sie Tag und Nacht nicht ver— 
lassen. Vom Aufgang der Soune bis zu ihrem Untergang ist es 
18*
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.