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7. Da schwenken sie die Fähnlein bunt
Und jauchzen: „Unsern Herrn!
Hoch lebe Kaiser Heinrich! — Hoch
Des Sachsenlandes Stern!“
8. Dies rufend, knie'n sie vor ihm hin
Und huldigen ihm still
Und rufen, als er staunend fragt:
„'s ist deutschen Reiches Will'!“
9. Da blickt Herr Heinrich, tief bewegt,
Hinauf zum Himmelszelt:
„Du gabst mir einen guten Fang! —
Herr Gott, wie dir's gefällt!“ —
VBogl.
285. Die Krönung Ottos J.
Am 8. August des Jahres 936 stand in der Säulenhalle zu
Aachen, welche die Kaiserpfalz mit dem Münster verband — beide
hatte Karl der Große erbauen und Marmor und Säulen dazu aus
Rom und Ravennag herbeischaffen lassen — der Marmorstuhl Karls
des Großen, der Erzthron des Reichs; hier versammelten sich die
Großen aus allen deutschen Landen, erhoben Otto auf den Thron
und gelobten ihm unter Haändschlag Treue auf immerdar und Beistand
gegen alle seine Widersacher. So huldigten sie ihm nach alter Sitte
auf fränkischer Erde als Karls des Großen Nachfolger und König der
Franken. Deshalb hatte Otto auch sein weites sachsisches Kleid mit
dem knappen fränkischen Gewande vertauscht. Nur 'als Franke und
auf fränkischem Boden, meinte man damals und hat man noch lange
nachher gemeint, könne der neue König die Krone empfangen. In
feierlichem Zuge, von den Herzögen, Grafen und Herren begleitet, de—
gab sich dann Otto zum Münster.
Wer nach Aachen kommt, wird dieselbe Kirche noch heute dort
sehen. In der Gestalt eines Achtecks steigt sie zu mächtiger Höhe
empor, und oben umkreist sie ein zweifacher Umgang von Arkaden,
welche mit, Säulen geziert sind; in der Mitte aber auf dem Boden
ist die Stelle bezeichnet, wo Kaiser Karl sein Grab gefunden. Die
Gänge oben erfüllte damals dicht gedrängt das Volk, 'das von weit
und breit zum großen Feste herbeigeströnt war. In dem unteren
Raume aber erwartete der Erzbischoöf Hildebert von Mainz — der
sich erst nach langem Hader mil deu Erzbischösen von Köln und Trier
das Recht der Krönung erstritten hatte — mit allen Erzbischöfen,
Bischöfen und Priestern, die sich eingestellt hatten, den jungen König.
Als dieser an der Pforte erschien, schritter ihm entgegen, den Krumm—
stab in der Rechten, und führte ihn mit der Linken dis in die Mitte
des Münsters, wo Kaiser Karls Grabstein liegt und Otto von llen
Seiten erblickt werden konnte. Hier wandte er sich um und rief laut