Kap. 35. Der schmalkaldische Krieg. (Karl V in Ingolstadt.) 283
Aber die Verbündeten benützten ihren Vortheil schlecht. Alle kräf¬
tigen Schritte des kriegserfahrenen Anführers der oberländischen Städte¬
macht, Sebastian Schärtlin's von Bnrtenbach, welche jeden
Erfolg gesichert und den Krieg mit Einem Schlag beendigt hätten,
wurden durch die Bedenklichkeit des Kriegsraths der beiden (ohnedieß
in ihrem Charakter so verschiedenen) Bundeshäupter und durch ihre
Unkunde über die geheimen Verabredungen der Feinde zu nichte gemacht.
Schärtlin wollte über die Donau setzen, um, rasch durchs bayrische Ge¬
biet ziehend, den Kaiser in NcgcnSburg zu überfallen; aber die schmalkaldischcn
Fürsten, welche Bayern für neutral hielten, während cs mit dem Kaiser in ge¬
heimem Vernehmen war, untersagten ihm dieß, aus Besorgniß, Bayern gegen sich
zu reizen. — Nun eroberte Schärtlin die Clause bei Füßen, und wollte durch
Tyrol dringen, um das Concilium zu Trient auseinander zu sprengen oder wenig¬
stens dem Kaiser den Zuzug der italischen Truppen abzuschnciden; aber die Für¬
sten verboten dieß, um den König Ferdinand nicht zu beleidigen, von dem sie
meinten, er werde seines Bruders, des Kaisers, Kriegscntschluß-nicht billigen.
(2.) §o konnte der Kaiser in Regensburg ruhig bleiben und als
eben Zuzug von seinem Bruder aus Ungarn angekommen und die
Hülfe aus Italien durch Tyrol in nahem Anzug war, trat er mit der
Re i ch s a ch t gegen die beiden s ch m a l k a l d i s ch e n Bundes-
Häupter hervor.
Anfangs vermehrte der Gemüthseindruck der Acht die Unentschieden¬
heit derselben; als aber ein aufgefangenes päpstliches Ausschreiben
an die katholischen Stände der Schweiz ihnen über die äußersten Plane
ihrer Feinde die Augen öffnete, so schwanden ihre Zweifel an der
Widerstandsberechtignng, und in einer eigenen Widerlegungs¬
schrift wiesen sie alle in der Achtserklärung gegen sie enthaltenen
Beschuldigungen als unbegründet zurück.
Doch wollten sic sich nur aus Vertheidigung beschränken. Noch be¬
herrschten sie das rechte Nhcinufcr, das linke Donauufer und den untern Lech, und
eö fehlte ihnen nur Ingolstadt als Stützpunkt. Weil aber die Scheu vor Bayerns
Neutralität sie von der Besetzung jenes Platzes zurückhielt, zogen sie donanab-
wärts nach Regensburg, worauf natürlich der Kaiser auf der andern Seite Rcgens-
burg verließ und selber Z UL o l st a d t besetzte.
Nachdem der Kaiser in Ingolstadt eine feste Stellung
genommen hatte, belagern ihn die Verbündeten, und wagen es auch
die Stadt einmal zu beschießen. Als aber Schärtlin einen Hauptangriff
machen will, halten ihn die beiden Fürsten zurück und brechen aus,
um ein kaiserliches Hülfshcer, das unter denl Grafen von Büren aus
den Niederlanden her anrückte, von der Vereinigung mit dein
Kaiser abzuhalten. Büren aber weicht aus und langt unaufgehalten
in Ingolstadt an.