Full text: Lesebuch für Volksschulen

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Schutz und Begleitung durch die Schweiz an, und Werner sprach 
Leim Abschiede die Worte: „Edler Graf, könnte ich späterhin den 
mir erwiesenen Dienst durch die That vergelten!" Jetzt war die 
gelegene Zeit. 
2. Rudolf und der Priester. Einmal war Rudolf auf 
die'Jagd gegangen. Im Walde begegnete er einem Priester, wel¬ 
cher zu einem Kranken wollte, um ihm zum letzten Male das hei¬ 
lige Abendmahl zu reichen. Der angeschwollene Bach hatte aber den 
Steg weggerissen, und eben wollte der Priester das Wasser durch¬ 
waten; da stieg Rudolf von seinem Pferde und half dem Priester hinauf. 
Als dieser andern Tags dem Grafen das Pferd zurückbrachte, schenkte 
es ihm Rudolf mit den Worten: „Verhüte Gott, daß ich ferner das 
Pferd zum Jagen benutzen sollte, welches zu so heiligem Dienst ge¬ 
braucht worden ist; behalte es für dich zu ähnlichen Diensten." 
3. Rudolf gegen Ottokar und die Raubritter. Dieser 
fromme und tapfere Graf wurde nun fast einstimmig erwählt, und 
herrlich hat er das in ihn gesetzte Vertrauen gerechtfertigt. Zuerst 
zog er gegen den widerspenstigen König Ottokar von Böhmen. 
Auf dem Marchfelde bei Wien kam es zur Schlacht, in welcher Ottokar 
sein Leben verlor. Nun machte er sich an die Zerstörung der Naubschlöster. 
Einst zerstörte er ihrer in einem Monat über 60. Die adeligen 
Räuber ließ er so gut bestrafen und hinrichten, wie die andern. „Keinen 
halte ich für adelig," sagte er, „der von Raub und unehrlicher Han- 
tirung lebt." Dabei blieb er auf dem Kaiserthrone einfach und menschen¬ 
freundlich und wurde daher zuweilen nicht als Kaiser erkannt. 
4. Rudolf und die Bäckersfrau. Als er mit seinem Hof¬ 
lager einst bei Mainz stand, ging er mir seinem einfachen Wamms 
auch in die Stadt. Da es strenge kalt war, trat er in das offene 
Haus eines Bäckers, um sich zu erwärmen. Die Bäckersfrau hielt ihn 
für einen gemeinen Soldaten, schalt über seine Dreistigkeit und schimpfte 
auf die Soldaten und den Kaiser. Als dieser die Schimpfreden 
lächelnd anhörte, wurde die Frau so aufgebracht, daß sie einen Topf 
Wasser nahm und den Kaiser damit begoß. Durchnäßt, doch ganz 
gelassen, verließ er das Bäckerhaus. Mittags schickte er durch einen 
Diener der Frau einige Schüsseln mit Essen und ließ ihr sagen, das 
schicke der Soldat, den sie vormittags so unfreundlich behandelt habe. 
Als dieselbe erfuhr, daß der Geschimpfte der Kaiser sei, lief sie eilends 
hinaus, warf sich Rudolfen zu Füßen und bat um Verzeihung. Er 
aber belegte sie mit der Strafe, daß sie den ganzen Vorfall der Gesell¬ 
schaft nochmals erzählen mußte. — 
Gern hätte Rudolf vor seinem Tode noch seinen Sohn Albrecht 
zu seinem Nachfolger erwählt gesehen; aber hierin waren ihm die deut¬ 
schen Fürsten nicht zu Willen. Er starb 1291 zu Germersheim. 
Walter.
	        
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