Full text: Lesebuch für Volksschulen

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Vater, der alles gesehen hatte, zu dem Knaben, sah ihn ernst an und 
sprach: „Wem gebührt solche Züchtigung, dir, oder dem Thiere, welches 
nicht weiß, was rechts, oder links ist? Bist du minder deinem Ge¬ 
lüste gefolgt, als das Thier, welches du leiten solltest? Und nun 
übest du ein solch unbarmherziges Gericht und vergissest deiner Ver¬ 
nunft und deiner eigenen Sünde?" 
Da schämte sich der Knabe und enöthete vor dem Vater. 
Krummacher. 
26. Der gute Hirte. 
1. Du lieber Heiland, Jesus Christ, 
Weil du ein guter Hirte bist 
Und merkst so treu auf deine Heerde, 
Daß keins davon verloren werde: 
2. So will ich' auch dein Schäflein sein, 
Will fröhlich folgen dir allein, 
Will stets auf deine Stimme hören, 
Will nie mich wieder rückwärts kehren. 
3. Christus, mein Helfer und mein Hirt, 
Der treulich für mich sorgen wird 
Und mich behüten, führen, weiden, 
In Ewigkeit nicht von mir scheiden. 
27. Fritz Oberlin. 
Eine Bäuerin bot in Straßburg Eier in einem Korbe zum Ver¬ 
kauf aus. Zwei muthwillige Knaben rannten an den Korb, stießen 
denselben um und machten sich mit Lachen davon. Der kleine Oberlin, 
später Pfarrer in Steinthal, sah diesen Streich der losen Knaben mit 
an. Ungesäumt lief er nach Hause, holte seine wohlgefüllte Sparbüchse, 
kehrte alsbald zurück und schüttelte all sein Geld in die Schürze der 
Bäuerin. Auf das schnellste entfernte er sich wieder, und die Bäuerin 
konnte ihm nicht einmal danken. 
Ein andermal ging Oberlin bei einer Trödlerin (die mit alten 
Sachen handelt) vorüber. Ein armes Weib handelte um ein altes 
Kleidungsstück; es fehlten ihr nur noch zwei Groschen zum geforderten 
Preise. Sie mußte vom Ankaufe des benöthigten Kleides abstehen 
und ging betrübt davon. Fritz Oberlin bemerkte den Handel; er wartete 
nur auf den Augenblick des Weggehens der Armen; alsdann ging er 
schnell zur Trödlerin, drückte derselben die zwei Groschen in die Hand 
r^nd sagte leise zu ihr: „Rufet jetzt die arme Frau zurück und lastet 
ihr den Rock." Er aber ging eilend davon. Stern's Lesebuch. 
28. Sprüchwörter. 
1. Almosen geben armet nicht. 2. Ein „Nimmhin" ist besser, als zehn 
„Gotthelfdir". 3. Wo man Liebe säet, da geht Freude auf. 4. Williges Herz 
macht leichte Füße. 
29. Vom Bäumleim das andere Blätter hat gewollt. 
1. Es ist ein Bäumlein gestanden im Wald, in gutemund schlechtem Wetter; 
das hat von unten bis oben halt nur Nadeln gehabt statt Blätter. Die Nadeln, 
die haben gestochen, das Bäumlein, das hat gesprochen: 
2. Alle meine Kameraden haben schöne Blätter an, und ich habe nur Nadeln, 
niemand rührt mich an; dürst' ich wünschen, wie ich wollt', wünscht' ich mir 
Blätter von lauter Gold.
	        
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